Am Puls der Erde Am Puls der Erde: Warum ist auf dem Muldensteiner Berg eine Messstation für Erdbeben?

Muldenstein - Erdbeben. Das Wort steht für ein Schreckensszenario. Für menschliches Leid, und Zerstörungen. Meist stammen die Nachrichten über Beben aus der Ferne. Das weiß René Voigt.
„Sachsen-Anhalt gehört nicht zu den Gebieten, in denen verheerende Erdbeben auftreten können.“ Dennoch sind die Beben sein berufliches Metier. Voigt arbeitet am Institut für Geophysik und Geologie der Uni Leipzig und hat in dessen Auftrag das Ohr am Puls von Mutter Erde.
Der Mann betreut die seismische Station in Muldenstein. Die ist im Innern des Trinkwasserhochbehälters auf dem Muldensteiner Berg installiert und zeichnet alles auf, was mit Verwerfungen und Plattenverschiebungen umschrieben wird.
„Wir haben vielleicht alle zehn Jahre ein spürbares Beben in der Region“
Es geht tatsächlich um Erdbeben, von denen es auch in Mitteldeutschland immer wieder welche gibt. Nur sind die meisten von denen für den Normalbürger gar nicht von Gewicht. „Wir haben vielleicht alle zehn Jahre ein spürbares Beben in der Region“, bestätigt Sigward Funke, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Kollege von Voigt am Leipziger Institut.
Die Fachleute verweisen auf Beben, die etwa im Südraum Halle mit einer Stärke von 3,2 in die Statistik eingegangen sind. „Nicht ungewöhnlich und auch nicht unwahrscheinlich“, erklären sie. Mitten durch die Region verläuft die sogenannte Störungszone Leipzig-Regensburg. Es ist ein Bereich, in dem Teile der Erdkruste gegeneinander versetzt liegen. Bewegen sie sich, kann das Erdbeben auslösen.
Darauf achten die Leipziger Wissenschaftler. Sie haben ein Netz von Messstationen aufgebaut. Eine davon ist die in Muldenstein. Aber warum hier? Und warum ausgerechnet auf dem Muldensteiner Berg, der höchsten Erhebung weit und breit? „Fester Untergrund überträgt die seismische Welle sehr gut“, erklärt René Voigt.
Dass ein Beben nur an einem Ort messbar ist, gilt als ausgeschlossen
„Der Hochbehälter ist direkt auf dem Fels gebaut.“ Ganz unten im Bauwerk wird das deutlich. Felsgestein ist nicht zu übersehen. Und genau deshalb arbeitet hier das Seismometer. Es ist nicht viel größer als ein Wasserkocher. Aber dafür misst es penibel genau. Ein kräftiger Tritt auf den Boden und der Ausschlag auf dem Computer ist nicht zu übersehen.
Kann das nicht zu Irrtümern führen? Können im schlimmsten Fall nicht ein Unbefugter aus Jux oder Arbeiten an dem mit mehreren Tausend Kubikmeter Trinkwasser gefüllten Behälter ein „Erdbeben“ auslösen und so die Statistik verfälschen? Sigward Funke sagt Nein. Schließlich würden mehrere Stationen Daten liefern. Dass ein Beben nur an einem Ort messbar ist, gilt als ausgeschlossen.
„Wir sind auch in der Lage, große Beben in großer Entfernung zu registrieren“
„Wir sind auch in der Lage, große Beben in großer Entfernung zu registrieren.“ Die in Muldenstein und Stationen wie denen auf der Neuenburg bei Freyburg und in Wimmelburg gewonnenen Daten haben Relevanz. Es geht nicht zuletzt um Sicherheit in der Chemieregion, in der jede Menge technische Anlagen mit großem Gefährdungspotenzial vorhanden sind.
Außerdem greifen nach Aussagen der Wissenschaftler Versicherungen und der Bausektor bei ihren Entscheidungen auf Erdbebengefährdungskarten zurück. Genau die werden auf der Grundlage von Daten wie denen aus Muldenstein erstellt. (mz)

