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90 Jahre Kulturhaus Wolfen 90 Jahre Kulturhaus Wolfen: Erfolgreicher Start in eine neue Zeit

Von Christine Färber 29.09.2017, 11:26
Ob Rockmusik oder volkstümliche Klänge, bei vielen Veranstaltungen ist das Haus fast bis auf den letzten Platz ausverkauft.
Ob Rockmusik oder volkstümliche Klänge, bei vielen Veranstaltungen ist das Haus fast bis auf den letzten Platz ausverkauft. André Kehrer

Wolfen - Mit der Fabrik kommt die Kultur. Zumindest in Wolfen ist das so. Man wollte den Beschäftigten der Farben- wie der Filmfabrik etwas bieten. So begannen 1927 in der Filmfabrik umfangreiche Umbauarbeiten, an deren Ende ein Theater entstehen sollte - ein Saal für Unterhaltungsabende.

Unterhaltung - darunter war später, vor allem zur Zeit des Nationalsozialismus - auch politische Beeinflussung gemeint. Der Saal wurde in dieser Zeit zur politischen Bühne. Doch alle Propaganda und Hetze konnte nicht verhindern, dass kam, was kommen musste. Der Krieg machte weiß Gott keinen Bogen um Wolfen. Nach dem Ende des Krieges war das Kulturhaus ein Trümmerhaufen.

Wolfener dürsteten nach Kultur

Doch ließen sich die Leute, die mit dem Wiederaufbau des Landes und so auch des Kulturhauses begonnen hatten, nicht verdrießen. Die Kulturstätte war kaputt - also zog man kurzerhand für eine gewisse Weile um und nutzte das Casino. Denn schon 1946 brauchte man eine Stätte für die Kultur, die Wolfener dürsteten nach Kultur. Und die beliebten kulturellen Abende kehrten zurück. Mit ihren Programmen sorgten Berufs- und Laienkünstler für Andrang. Ganz klar - ein Name wie Heinz Rühmann zog. Die Künstlergage allerdings bestand nicht aus Geld, man zahlte in Naturalien.

Zu wahrer Blüte gelangte das Kulturhaus in den Jahren zwischen 1950 und 1990. Egel, ob lokale Amateure oder internationale Profis - alle gastierten im Haus: das Arbeitertheater wie das Mandolinenorchester und der Singeclub oder der Jugendchor der IG Chemie, die Moskauer Philharmonie oder das Leningrader Operntheater und viele andere.

Sprungbrett in die Welt

Seit eh und je ist das Kulturhaus in Wolfen nicht nur Stätte der großen Kultur, hier haben schon immer unzählige Vereine ihre Heimstatt. Manche, vor allem das Arbeitertheater oder das Ballett, waren sogar ein Sprungbrett in die Welt. Viele erinnern sich: Die Mitarbeiter der Filmfabrik sprachen mit großem Stolz von dem Arbeitertheater, das sich überwiegend aus Belegschaftsmitgliedern der Filmfabrik - und somit Amateurkünstlern - zusammensetzte und mit großem Einsatz probte und spielte.

Nicht nur das 1965 gegründete Kinder- und Jugendballett, das weit über die Stadt hinaus bekannt war, war ein Aushängeschild, auch der Zirkel schreibender Arbeiter machte von sich reden. Man denke nur an das Stück „Wolfener Geschichten“, das die Mitglieder des Zirkels „Schreibende Arbeiter“ unter der Leitung des Schriftstellers Gerhard Fabian verfassten. An dessen Aufführung schließlich wirkten mehrere Zirkel mit - so das Arbeitertheater, der Konzertchor und das Konzertorchester.

Eine Wende kam mit der Wende

Die Filmfabrik wuchs und mit ihr auch die Stadt. Mit Krondorf und Wolfen-Nord entstanden ganze neue Stadtteile. Zählte Wolfen 1958 noch 14 000 Einwohner, waren es nur zwölf Jahre später schon 26 300 Menschen, die in Wolfen lebten. Das zog nach sich, dass auch das Kulturhaus aus allen Nähten platzte. Im Jahr 1970 waren im Haus sage und schreibe 25 Gruppen und Zirkel mit etwa 600 aktiven Amateurkünstlern, darunter etwa 300 Kindern.

Eine Wende kam mit der Wende. Das Ereignis ging am Kulturhaus nicht spurlos vorüber. 1989 beherrschte die Politik die Diskussionen im Hause. In Diskussionsrunden debattierten die Werksarbeiter im Spätherbst mit Vertretern der Parteileitung und Gewerkschaft über Missstände in der Filmfabrik und in der Wirtschaft.

Dann der Tiefpunkt im Jahr 1991: Die Filmfabrik als Finanzier des Kulturhauses fiel aus, das Team wurde nicht mehr gebraucht. Tausende Leute verließen die Region, zogen der Arbeit nach oder suchten ein neues Leben im Westen. Doch was wäre Wolfen ohne das traditionsreiche Haus? Noch im selben Jahr wurde es von der Stadtverwaltung als „Städtisches Kulturhaus“ übernommen. Das große Plus: Die Stadt stellte es fortan den Vereinen kostenlos zur Verfügung. Ein kluger Schachzug, denn so konnte sich das kulturelle Vereinsleben wieder voll entfalten.

Auf der Bühne standen nun Künstler wie Frank Zander, Chris Barber, Stefanie Hertel, Jürgen von der Lippe, die Wiener Sängerknaben, das Rundfunk-Sinfonieorchester Prag und viele andere international renommierte Sänger, Schauspieler, Musiker etc. Ausstellungen, Lesungen und andere Aufführungen gehören heute zum Alltag.

(mz)

Neben vielen Vereinen war auch der Singeclub Bestandteil des Kulturhauses.
Neben vielen Vereinen war auch der Singeclub Bestandteil des Kulturhauses.
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Zur feierlichen Eröffnung am 27. Dezember 1927 spielten die Damen und Herren des Friedrich-Theaters Dessau.
Zur feierlichen Eröffnung am 27. Dezember 1927 spielten die Damen und Herren des Friedrich-Theaters Dessau.
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