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Betreibergesellschaft Infra Leuna Betreibergesellschaft Infra Leuna: Geschäftsführer setzt auf Megatrend Nachhaltigkeit

19.01.2021, 12:00
Die Bauarbeiten an der Kraftwerkserweiterung GuD2 auf dem Chemiestandort gehen voran, wie diese Luftaufnahme zeigt.
Die Bauarbeiten an der Kraftwerkserweiterung GuD2 auf dem Chemiestandort gehen voran, wie diese Luftaufnahme zeigt. Tilo Weiskopf

Leuna - Das vergangene Jahr war in vielerlei Hinsicht herausfordernd und so war die Pandemie auch ein Thema am Chemiestandort in Leuna. Doch Schlagzeilen hat die chemische Industrie vor allem mit Neuansiedlungen und Investitionen in nachhaltige Wirtschafts- und Forschungsprojekte gemacht. Was das für die Entwicklung in der Region bedeutet und was er für 2021 erwartet, darüber sprach Melain van Alst mit Christof Günther, dem Geschäftsführer der Standortbetreibergesellschaft Infra Leuna.

Es war ein herausforderndes Jahr. Wir schätzen Sie das rückblickend ein?
Christof Günther: Wenn man auf 2020 schaut und einen Strich darunter macht, sind wir zufrieden. Wir sind operativ gut durch die Krise gekommen und es ist bemerkenswert, dass sich zwei große Unternehmen wie UPM und Topas trotz aller Widrigkeiten für die Investitionen in Leuna entschieden haben. So hat UPM in den schwersten Krisenzeiten keine Zweifel an ihrem Projekt und der Zusage aufkommen lassen. Das ist bemerkenswert. Damit sind wir beim Thema nachhaltige Chemie im deutschen Maßstab ganz weit vorn. Bei allen Problemen im Zusammenhang mit Corona gibt uns das Zuversicht für die folgenden Jahre.

Wie haben Sie in der Pandemie auf die Einschränkungen reagiert?
Günther: Dass der Betrieb reibungslos aufrecht erhalten werden konnte, ist nicht selbstverständlich und ist auf das hohe Verantwortungsbewusstsein und Engagement unserer Mitarbeiter zurückzuführen. Wir können nur sehr beschränkt Home Office anbieten. In der Verwaltung geht das und da nutzen wir das auch. Aber ein Lokführer, Elektriker oder Anlagenfahrer kann eben nicht von zu Hause arbeiten. Daher haben wir sehr viel für den Infektionsschutz am Arbeitsplatz getan. Dazu gehören Maßnahmen wie regelmäßige Desinfektion, Abstand, Separierung und Schutzmasken. Am Standort gab es keine Produktionseinschränkungen, die auf Infektionen oder Quarantäne zurückgehen. Es gab bei einigen Unternehmen eine temporäre Reduzierung der Produktion, die mit den Entwicklungen am Markt zu tun hatte.

Nun hat aber Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) zumindest den Gedanken geäußert, dass auch die Wirtschaft in den Lockdown sollte. Wie würde dieses Szenario für den Standort aussehen?
Günther: Wir können den Chemiestandort nicht einfach abstellen. Wenn man mal von den massiven wirtschaftlichen Folgen absieht, ist das auch technisch unmöglich. Selbst wenn keine Produktion mehr am Standort stattfinden würde, müssten wir dennoch die Abwasserversorgung vorhalten ebenso die Feuerwehr und den Werkschutz. Auch wenn Anlagen nicht betrieben werden, können sie in Störung gehen. Zudem versorgen wir Haushalte in der Region mit Wärme und Trinkwasser. Auch dafür brauchen wir die Leute vor Ort. Hinzu kommt, dass unser Standort bei einer Abstellung wichtige Produkte für die Pandemiebekämpfung in Bereich Hygiene, Desinfektion oder auch Patientenbeatmung nicht mehr zur Verfügung stellen könnte.

Neben Corona waren im vergangenen Jahr Begriffe wie grüner Wasserstoff, Bioökonomie, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft vordergründig in der Debatte, wenn es um den Standort ging. Vor wenigen Tagen hat dann auch Linde angekündigt, Elektrolyseure für die Herstellung von grünem Wasserstoff zu bauen. Muss die chemische Industrie grüner werden, um sich zukünftig behaupten zu können?
Günther: Das Thema Nachhaltigkeit ist ein Megatrend, das von keinem der großen Akteure ignoriert werden kann. Es gibt viele Projekte in diesem Bereich, die aber häufig sehr klein sind. Viele sind auch noch nicht wirtschaftlich. Gerade in Bezug auf Letzteres hat die Bioökonomie noch einen weiten Weg vor sich. Wegweisende Projekte, die wirtschaftlich sind und in diesem Feld entstehen, finden hier in Leuna statt und das ist entscheidend. Das UPM-Projekt ist das größte seiner Art in der nachhaltigen biobasierten Chemie. Es ist kein Pilotversuch, sondern es eine wirtschaftlich tragfähige Investition im industriellen Maßstab.

Sie sprachen schon im Sommer davon, dass UPM den Anstoß für Folgeprojekte in diesem Bereich geben könnte. Gibt es solche Projekte schon in Leuna?
Günther: Dafür ist es noch zu früh. Es gibt Interessenten, aber die Projekte sind noch nicht so weit, dass man darüber sprechen könnte. Der ein oder andere wird sich das sicher auch erst einmal anschauen wollen, wenn die Anlagen von UPM laufen.

Das klingt aber schon als würde sich die Chemie für die Zukunft neu erfinden?
Günther: Unsere Chemieindustrie muss sich permanent neu erfinden, um im Wettbewerb bestehen zu können. Im globalen Wettbewerb treten wir an gegen Produktionsanlagen, die beispielsweise mit dem Rohstoff Schiefergas in den USA eine fossile Basis haben und sehr kostengünstig arbeiten. Beispiele dafür gibt es auch im Nahen Osten. Innovation und Kundennähe können uns Wettbewerbsvorteile verschaffen. Zudem muss es uns gelingen Ökonomie und Ökologie zusammenzubringen. Nur mit Ökologie kann man sich im Wettbewerb nicht behaupten. Und genau das ist die entscheidende Herausforderung. Dafür haben wir in Leuna eine gute Basis, weil wir schon jetzt ein Energiesystem haben, das emissionsminimiert arbeitet. Unser energetischer Verbund ermöglicht die Nutzung von Abwärme und unsere flexiblen Kraftwerke ermöglichen die Optimierung am Markt. Das ist ein Grund dafür, dass sich die Unternehmen für unseren Chemiestandort entscheiden. Diesen Wettbewerbsvorteil wollen wir weiter ausbauen...

...mit der Erweiterung und Modernisierung des Kraftwerks GuD2?
Günther: Genau, denn die neue Anlage kann flexibler gefahren werden als jedes andere Kraftwerk derzeit in Deutschland. Es kann schnell auf die fluktuierende Einspeisung von erneuerbaren Energien reagieren und so zukünftig zur Netzstabilität beitragen kann.

Gibt es konkrete Projekte für 2021 von der Infra Leuna?
Günther: Wir werden in diesem Jahr 140 Millionen Euro investieren, so viel wie noch nie. Da ist zentral das Kraftwerk und ganz wesentlich die neue Infrastruktur für UPM im Werkteil 1. Auf der ehemaligen Raffineriefläche wird es ein erweitertes Stromnetz geben, das Dampfnetz wird ausgebaut wir bauen eine neue Drucklufterzeugung, eine neue Deionatanlage und auch neue Kühlwerke. Das sind zentrale Infrastrukturen, wie man sie vom Werkteil 2 kennt. Man wird den Werkteil 1 in zwei Jahren nicht wiedererkennen. In der Chemieindustrie ist heute Wachstum mit dieser Geschwindigkeit und Sichtbarkeit wirklich selten. Darauf können wir in Leuna stolz sein.

Rückblick - Finnen und Japaner wollen investieren

Zwei angekündigte Großinvestitionen haben im vergangenen Jahr am Chemiestandort in Leuna für Schlagzeilen gesorgt. Ende Januar hat das finnische Unternehmen UPM angekündigt auf 15 Hektar eine Bioraffinerie zu bauen. Im Sommer war der Spatenstich für die 550 Millionen Euro Investition. Geplant ist, dass der Konzern, in Leuna Holz biobasierte Kunststoffe herstellt, die unter anderem in PET-Flaschen zu finden sind. 100 direkte und 100 Arbeitsplätze bei Dienstleistern sind dafür nötig.

Ende September erklärte dann das japanische Unternehmen Topas in Leuna ebenfalls eine Produktionsstätte zu errichten. Geplant sei, dass die Anlage Mitte 2023 in Betrieb gehe und dort ein Kunststoff hergestellt wird, der leichter recycelbar ist. Mit einer dreistelligen Millioneninvestition wird für Topas gerechnet. (mz)