Vorurteile bei der Digitalisierung Vorurteile bei der Digitalisierung: Wer nicht mitzieht hat keine Zukunft

Bernburg - „Wir finden das alles sehr interessant. Was da so alles möglich ist. Das ist doch schön.“ Karin und Wilfried Lutter sind Rentner, aber das bedeutet nicht, dass sie den technischen Fortschritt nicht verfolgen. Die beiden waren am Mittwoch auf dem Karlsplatz in Bernburg und nutzten die Chance, um am regionalen Kompetenzzentrum Halt zu machen, das gerade durch Sachsen-Anhalt tourt, um die Chancen durch Digitalisierung aufzuzeigen und Kontakte zu knüpfen.
„Ich habe doch schon Mitte der 1990er Jahre Bankgeschäfte am Computer gemacht“
Die Idee findet das Rentner-Ehepaar gut. Dass sich ältere Menschen für so viel neue Technik interessieren, ist noch eine Ausnahme. Doch bei Lutters ist das Smartphone immer dabei und der Computer gehört zum Alltagsleben ebenfalls dazu. „Ich habe doch schon Mitte der 1990er Jahre Bankgeschäfte am Computer gemacht, da wussten viele noch gar nicht, dass das geht“, schmunzelt Wilfried Lutter.
Eine Tastatur und der Fernseher reichten als Hardware aus. Mit heute ist das nicht zu vergleichen, sagt Lutter. Das Internet ist um ein Vielfaches schneller und einwählen mit Telefonhörer und Modem war mühsam und ein Glücksspiel.
Und auch ein Mobiltelefon, Lutter macht eine weit ausladende Handbewegung, um die damalige Größe zu zeigen, hatte er schon, da steckte dieser Sektor nicht in den Kinderschuhen. Lutter war Fernmeldetechniker und somit natürlich nicht ganz fremd im Umgang mit der modernen Technik.
„Es herrscht manchmal großes Misstrauen gegenüber der Digitalisierung“
So aufgeschlossene Menschen seien wünschenswert und würden auch im Handwerk gebraucht. „Es herrscht manchmal großes Misstrauen gegenüber der Digitalisierung. Gerade bei der künstlichen Intelligenz haben viele eine völlig falsche Vorstellung, die von Filmen geprägt ist.“ Ronny Kaltschmidt ist angetreten, um gegen Vorurteile einerseits und Notwendigkeit von digitalisierten Prozessen im Alltag und in der Arbeitswelt andererseits anzutreten.
Der Transferbeauftragte von Mittelstand 4.0, Kompetenzzentrum Magdeburg, war zusammen mit den Mitstreitern des Kompetenzzentrums Hannover auf den Bernburger Karlsplatz gekommen, um für die digitale Zukunft zu streiten. Und bekam die Vorbehalte vor Ort aufgezeigt, die gegen manche digitale Innovation bestehen.
Den Mittelstand begeistern und Lösungen anbieten
„Wir haben hier bei einer gastronomischen Einrichtung gefragt, ob Interesse besteht an einer digitalen Registrierung der Gäste. Das wäre einfach, datensicher und es fällt der ganze Schriftkram weg. Es gab vehemente Ablehnung“, so Kaltschmidt. Dabei ist man gerade deshalb auf Tour, um den Mittelstand für die Digitalisierung zu begeistern und vor allem, um Lösungen anzubieten und um Zusammenarbeit in Gang zu setzen.
Natürlich wird es immer im Handwerk Arbeiten geben, die, wie der Begriff auch sagt, mit den Händen erledigt werden müssen. Dennoch sind andere Lösungen im Servicebereich, bei den Abrechnungen oder der Auftragsannahme auch digital möglich. Bis hin zum Fertigen von Teilen. Das sollte an einem Bus verdeutlicht werden, der auf dem Karlsplatz platziert worden war.
15 unterschiedliche digitale Technologien gezeigt
Bei den Besuchern kam der Fabrikbus gut an, mit dem gezeigt werden sollte, was mit digitalen Abläufen geschaffen werden kann. Gezeigt wurde das an einem Kugelschreiber, der mit automatisierten Prozessen individuell hergestellt werden konnte.
Doch die Zukunft liegt natürlich nicht beim Herstellen von Kugelschreibern. An dem Beispiel wurden lediglich 15 unterschiedliche digitale Technologien gezeigt.
Bei künstlicher Intelligenz, wobei die Verwendung des Begriffs „Intelligenz“ in der Fachwelt nicht unumstritten ist, handelt es sich nicht um Menschen als denkende Maschinen, wie es aus Science-Fiction-Filmen bekannt ist, sondern um Computer, die lernen und vor allem im gewissen Maß Entscheidungen fällen können. Im Alltag hat die künstliche Intelligenz lange Einzug gehalten. Zum Beispiel bei Handykameras.
Zeitsparend und schnell anwendbar
Doch das Feld der Anwendungen sei schier unmöglich, sagt Axel Hoppe. Er ist Geschäftsführer beim Institut für Automation und Kommunikation in Magdeburg. Er erklärt, wie Verkehrskegel so digital aufgerüstet werden können, dass sie bei Unfällen von der Polizei aufgestellt werden, die dann selbstständig die wichtigen Daten senden. Datum, Uhrzeit und vor allem den Ort. Das hilft nicht nur, Zeit für die Beamten zu sparen, die sich dann der Unfallaufnahme zuwenden können. Die Daten gehen auch an Verkehrsleitsysteme und an Navigationsgeräte.
Landkreis bereitet sich jetzt auch vor
Bei Landrat Markus Bauer (SPD) stieß das auf offene Ohren. Er ist schon seit einiger Zeit dabei, den Landkreis in eine digitalisierte Zukunft zu steuern. Die Ladung von E-Autos ohne Stromkabel, sondern durch Induktion, stieß auf besonderes Interesse, weil das auch bei Bussen eine Variante aufzeigt.
Die Ladung erfolgt über in den Asphalt eingelassene Induktionsschleifen, die beim Parken über diesen Flächen das Fahrzeug laden. Das gehe technisch auch, wenn man über weite Strecken in den Fahrbahnen diese Technik einbaut, sagt Hoppe. Doch sei das sehr kostenintensiv.
„Wer bei der Digitalisierung nicht mit der Entwicklung mitzieht, wird keine Zukunft haben“, so Bauer, dessen Vision es ist, dass die digitale Zukunft mehr Lebensqualität für die Menschen bringt. (mz)