Verkehrskontrollen in Bernburg Verkehrskontrollen in Bernburg: Stadt hat Umleitungsstrecken im Visier

Bernburg - Für ortskundige Autofahrer, die gern zügig über die Straßen Bernburgs düsen, ist der schwarze Fiat-Kombi am Straßenrand längst zu einem Alarmsignal geworden: Fuß vom Gas! Dass das kommunale Blitzerauto durch viele Verkehrsteilnehmer rechtzeitig erkannt wird, ist für Ordnungsdezernent Holger Dittrich kein Problem. Schließlich werde dadurch der Zweck, die Reduzierung der Geschwindigkeit auf das erlaubte Höchstmaß, erreicht - auch ohne Strafen.
Und nur darum gehe es der Stadtverwaltung, seit sie die Verkehrsüberwachung vor 16 Jahren selbst in die Hände genommen hat, versichert er. „In dieser Zeit hat der Blitzerwagen nie als Einnahmequelle gedient. Die Aufwendungen decken in etwa die Kosten. Der erzieherische Aspekt ist vordergründig“, betont Dittrich. Darum hab er auch keinerlei Probleme mit den Warnmeldungen im Radio. „Unser Eindruck ist, dass es eine schweigende Mehrheit in der Bevölkerung gibt, die sich wünscht, dass wir noch aktiver sind, besonders in Wohngebieten, wo schwächere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger und Radfahrer besonders gefährdet sind.“ Die Erfahrung habe gezeigt, dass es nicht Fremde, sondern vor allem Ortsansässige sind, die bei Tempoverstößen erwischt werden. Die meisten hätten sich aber darauf eingestellt, dass in der Innenstadt - mit Ausnahme von Teilen der Karl- und Auguststraße - Tempo 30 gelte.
Die Stadtverwaltung Bernburg hat sich 1998 ein Blitzerauto angeschafft, nachdem eine Gesetzesänderung es Kommunen mit mehr als 20 000 Einwohnern ermöglicht, zusätzlich zur Polizei in Eigenregie die Überwachung des fließenden Verkehrs vorzunehmen.
Anfangs kam ein grüner Opel Astra zum Einsatz, seit fünf Jahren ist es ein schwarzer Fiat Doblo, der 15 bis 20 Stunden pro Woche an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet und in den Ortsteilen mit Radartechnik die Geschwindigkeit misst. Wie bei der Polizei auch werden vom gemessenen Tempo drei Stundenkilometer als Fehlertoleranz abgezogen.
Im vergangenen Jahr registrierten die Messbeamten des Bernburger Ordnungsamtes 7291 Tempoverstöße, von denen 230 so gravierend waren, dass sie an die Zentrale Bußgeldstelle des Landes Sachsen-Anhalt weitergeleitet wurden. Die Stadt selbst darf nämlich nur Verwarngelder bis zu einer Höhe von 35 Euro kassieren. Insgesamt spielte die mobile Verkehrsüberwachung 2013 eine Summe von 136 000 Euro ein. Im laufenden Jahr nahm die Stadtverwaltung bis Ende Juli knapp 75 000 Euro ein durch 3930 Geschwindigkeitsübertretungen, von denen 88 im Bußgeldbereich lagen. (tad)
"Können nicht überall blitzen"
Auch wenn sich über die Wahl der Messstandorte trefflich streiten ließe, geht die Stadtverwaltung mit Augenmaß heran, sagt der Ordnungsdezernent. „Wir sind dabei an technische Vorgaben gebunden und können nicht überall blitzen, wo es wünschenswert ist.“ So sei der Radarwagen beispielsweise für Kopfsteinpflasterstraßen wie Am Werder ungeeignet, weil eine verlässliche Messung nicht möglich ist, ergänzt Ricardo Beck, Sachgebietsleiter Verkehr im Bernburger Ordnungsamt. In diesen Fällen sei die Laserpistole der Polizei gefragt, mit der es eine enge Absprachen gebe, wo beide Behörden messen. Schwerpunkte seien die Mehring- und die Goethe-Grundschule, aber auch Umleitungsstrecken. „Viele sonst disziplinierte Autofahrer sind durch den Umweg genervt und drücken deshalb mehr aufs Gaspedal“, begründet Dittrich. Die Stadtverwaltung erfülle damit vor allem Anwohnerwünsche, wie jüngst in Peißen oder auf der Bernburger Gutenbergstraße.
Die zwei Messbeamtinnen Gabi Kersten und Angie Neumann, die ihre Befugnis nach einem Lehrgang erworben haben, sitzen zusammen im Auto. Einerseits um eine weitere Zeugin des Vergehens zu haben, andererseits um Verstöße parallel zur Radaraufnahme samt Autokennzeichen zu protokollieren. Denn viele Temposünder würden oft zeitnah im Ordnungsamt nachfragen, welche Strafe ihnen droht, sagt Ricardo Beck. Diese könnten so eine schnelle Antwort bekommen. „Eine junge Frau hat sich bei uns sogar bedankt, dass sie kein Fahrverbot erhält“, berichtet der 26-Jährige.
Doch es gibt auch andere Beispiele. „Eine Verrohung der Sitten bei einigen wenigen“, hat Holger Dittrich ausgemacht. Nachdem sie geblitzt wurden, würden sie sich vor dem Auto der Messbeamtinnen aufbauen oder ihrem Frust im Rathaus freien Lauf lassen. „Bei derartigen Beleidigungs- und Bedrohungstatbeständen muss man sich überlegen, ob man sich das noch gefallen lässt.“
Zahlt ein Betroffener sein Verwarngeld nicht, sei die Behörde zu Nachermittlungen verpflichtet. „Viele sind von den Hausbesuchen positiv überrascht, manche empfinden diese Erinnerung aber auch als Belästigung“, sagt Ricardo Beck. Zu tätlichen Angriffen sei es glücklicherweise aber noch nicht gekommen. (mz)
