Museum Unvermutete Schätze im Nachlass
Kunsthistorikerin Christin Müller-Wenzel würdigt den vielseitigen Bernburger Künstler Heinz Steffens.

Bernburg/MZ - Der Kunstmaler Heinz Steffens wurde 1913 in Bernburg geboren und verstarb hier im Jahre 1982. An seinem Geburtshaus in der Liebknechtstraße 41d wurde 2014 eine Gedenktafel enthüllt. Dieser zurückhaltende, sehr gebildete und künstlerisch vielseitige Mensch hat sich mit seinen unglaublich starken Bildern sowohl dem Nationalsozialismus als auch dem sozialistischen Realismus widersetzt. Er gehört mit seinen Werken in die vorderste Reihe der bedeutenden Maler seiner Zeit, ohne aber deren Popularität erreicht zu haben. Sein Werk für die Nachwelt zu erhalten und für wissenschaftliche Forschungen aufzubereiten, hat sich die freiberufliche Kunsthistorikerin Christin Müller-Wenzel. auf die Fahnen geschrieben.
Anliegen der gebürtigen Aschersleberin, seit dem Studium in Halle beheimatet, ist es, Kunst publik zu machen, ob für einzelne Künstler oder für Institutionen. So hat sie in Halle bereits mehrere Projekte geleitet, ob als Kuratorin für Galerien und Museen, ob im Rahmen eines Kuratorenstipendiums der Kunststiftung Sachsen-Anhalt, ob als Autorin und Beraterin für das Bauhaus Dessau oder bei ihrer Tätigkeit für die Franckeschen Stiftungen – die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen.
Im August 2019 hat sie am Museum Schloss Bernburg im Rahmen einer Förderung im Programm „Digital-Heritage“ der Investitionsbank Sachsen-Anhalt ein umfangreiches Projekt in Angriff genommen. Dank ihres akribischen Einsatzes konnte der Nachlass von Heinz Steffens neu inventarisiert, teilweise restauriert und digitalisiert werden. Dem Umbau des Museums geschuldet, lagern diese Werke derzeit im Pulverturm, die Blätter in Schubladen. Die Gemälde aber sind geschützt an große Drahtwänden gehängt worden. Sieben solcher Wände sind beidseitig mit den Gemälden von Heinz Steffens gefüllt.
Weit mehr als 2.000 Werke durchforstet
Ende April hatte Christin Müller-Wenzel den ersten Abschnitt abgeschlossen, weit mehr als 2.000 Werke von Heinz Steffens gesichtet, inventarisiert und katalogisiert. Diese Tätigkeit erforderte einen immensen Arbeitsumfang: Der Gesamtbestand musste gesichtet, begutachtet und gegliedert werden. Dabei hat sie neben Gemälden, Druckgrafiken, Zeichnungen, Ideenskizzen und Entwürfen auch Briefe, Gedichte, Notizen und Notenblätter vorgefunden und in den Mappen der Dauerleihgaben weit mehr als ursprünglich inventarisiert wurde. Daneben fanden sich viele Entwürfe, wie im Bernburger Museum Ausstellungsobjekte wirksam in Szene gesetzt werden können. Dieser unerwartete Umfang erforderte eine Priorisierung durch die Museumsleitung. Christin Müller-Wenzel beschränkte sich also fast „nur“ auf die Malerei und Grafik. Dafür erarbeitete sie nach der Erfassung der Werke Zustandsbeschreibungen und sie pflegte das dann später digitalisierte Werk in die Datenbank „museum digital“ und in die Werkdatenbank für Künstlernachlässe des BBK Sachsen-Anhalt ein. Insgesamt 2.017 digitalisierte Werke wurden so im März 2021 freigeschaltet und sind nun allen Interessierten zugänglich.
Handschrift prägte Erscheinungsbild des Museums
Über diesen ersten Arbeitsabschnitt referierte sie unlängst im Osttorhaus: „Für das Museum Schloss Bernburg ist der Steffens-Nachlass nicht nur in künstlerischer Hinsicht von großer Bedeutung. Der Stellenwert des Künstlers innerhalb der Klassischen Moderne Mitteldeutschlands wird durch ihn eindrucksvoll belegt. Mein Anreiz war, ein möglichst komplettes Bild von Heinz Steffens zu erschaffen.“ So etwas sei aber nur möglich, wenn das gesamte Schaffen gesichtet werden kann. Von Heinz Steffens Werken dürfte ein sehr großer Teil seitens der Kunsthistorikerin erfasst worden sein. „Mit dem Nachlass ist es nun möglich, einen wichtigen Abschnitt der über 130-jährigen Geschichte des Museums Schloss Bernburg abzubilden und zu dokumentieren. Denn Steffens künstlerische Handschrift prägte für Jahrzehnte das Erscheinungsbild des Museums.“
Werkverzeichnis entsteht bis zum Frühjahr
Der Förderverein Museum Schloss Bernburg hatte mit hohem Engagement eine Förderung durch die Ernst-von-Siemens-Kunststiftung, die Stiftung der Salzlandsparkasse, die Stiftung Denkmalschutz und die Stadt Bernburg eingeworben, mit der nahtlos der zweite Abschnitt zum Steffens-Nachlass in Angriff genommen werden konnte. Bis zum Frühjahr 2022 wird Christin Müller-Wenzel nun ein Werkverzeichnis dazu erarbeiten. Denn ein erfreulicher Nebeneffekt der Berichterstattung über ihre Arbeit war, dass sich viele Menschen gemeldet haben, die privat Werke von Heinz Steffens erworben oder geerbt hatten. Über 80 weitere Arbeiten konnten so bisher erfasst werden. Die Kunsthistorikerin ist immer noch mit einem Fotografen unterwegs, um auch diese Werke mit in die Sammlung aufzunehmen. Sogar dabei kam es noch zu Zufallsfunden. Eine Familie hatte ein Steffens-Werk gemeldet und daneben hing ein weiteres Gemälde von ihm, das erst die Kunsthistorikerin und der Fotograf erkannten.
Wenn das Werkverzeichnis im kommenden Jahr im Mitteldeutschen Verlag als Buch erscheint, ist es dort das zweite Werk der 40-Jährigen. In diesem Monat erscheint ihr Erstlingswerk dort, zugleich ihre Dissertation an der Uni Marburg 2020: „Der Staatliche Kunsthandel in der DDR – ein Kunstmarkt mit Plan?“ Ein Kompendium.
Ausstellung in Planung
Und wie sieht sie ihre Arbeit in Bernburg? „Man stößt immer noch auf Schätze, die man nicht vermutet, wie jetzt bei den Bildern in Privatbesitz. Es ist für eine Kunsthistorikerin schön, auf etwas Besonderes zu treffen. Ich freue mich, wenn die Dinge sich entwickeln und wachsen.“
Damit die Werke von Heinz Steffens vielen Menschen in Erinnerung gerufen oder erstmals gezeigt werden können, plant das Museum nach Erscheinen des Werkverzeichnisses auch eine große Ausstellung, mit Christin Müller-Wenzel als Kuratorin.