Serumwerk AG Bernburg Serumwerk AG Bernburg gründet Sprachschule in Biloberizka Ukraine: Reaktion auf Fachkräftemangel

Neugattersleben/Bernburg - Das Bernburger Serumwerk hat in der Ukraine eine deutsche Sprachschule gegründet. Genauer gesagt in Biloberizka, einem 1.200-Einwohner-Dorf in den Karpaten. Ab Januar sollen dort 15 Menschen die Sprache lernen und damit möglicherweise den Grundstein für eine spätere Beschäftigung in dem Pharmazieunternehmen legen.
Frank Wyszkowski, Geschäftsführer des firmeneigenen Hotels „Acamed Resort“ in Neugattersleben, und sein Personalchef Monty Weisbach, unterzeichneten in der Vorwoche bei einem Besuch in der Ukraine mit Bürgermeister Dmytro Iwanjuk den Vertrag. Darüber hinaus ist mit dem örtlichen Arbeitsamt vereinbart worden, bis zu 50 Auszubildende sprachlich auf eine Lehrstelle bei interessierten Betrieben im Salzlandkreis vorzubereiten.
Bis zu 50 Auszubildende sollen auf Lehrstelle bei Betrieben im Salzlandkreis vorbereitet werden
„Uns geht es nicht um billige Arbeitskräfte. Die Leute dort wissen sehr genau, was sie in Deutschland verdienen können und lassen sich nicht mit Mindestlohn abspeisen“, sagt Frank Wyszkowski gegenüber der MZ.
Vielmehr gehe es darum, dem immer größer werdenden Fachkräftemangel in der Region zu begegnen, der für die hiesigen Unternehmen zu einem echten Problem geworden sei.
Bei der Akquise habe sich das Serumwerk bewusst für ein ländliches Gebiet entschieden, damit sich die Menschen in Bernburg und Umgebung leichter einleben können. Wer ein Großstadtleben gewohnt ist, dem falle es sicher schwieriger.
Studenten von der Hochschule Anhalt stellten den Kontakt nach Biloberizka in der Ukraine her
Warum aber ausgerechnet die Ukraine? Der Kontakt entstand durch das Projekt „Eine Million Spezialisten für die Ukraine“, für die ein Fernsehsender Austauschpartner suchte.
„Wir haben in unserem Hotel viele Aushilfen aus Russland und der Ukraine, die an der Hochschule Anhalt studieren. Sie haben uns vermittelt“, erklärt Frank Wyszkowski, der im Frühjahr eine Woche lang in Biloberizka ein Hotel managte.
„Wir haben uns gut verstanden und es gab viele Anfragen zu Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland.“ Daraus sei die Idee zur Sprachschule entstanden, denn das Serumwerk suche für seinen Standort in Pirna ebenso Arbeitskräfte wie das „Acamed Resort“.
„Und Sprache ist die größte Einstiegshürde auf dem Arbeitsmarkt“, weiß der Hotelchef nur allzu gut. Bei ihm stammt ein Drittel der Belegschaft aus dem Ausland, insgesamt sind acht Nationalitäten vertreten. „Die meisten jungen Deutschen sind einfach nicht mehr bereit, nachts und an Wochenenden zu arbeiten.“
Gastronomie und Hotelgewerbe müssen sich nach Personal im Ausland umsehen
Deshalb kämen Gastronomie und Hotelgewerbe nicht umhin, sich im Ausland umzusehen. Im „Acamed Resort“ gelinge das seit fünf Jahren erfolgreich. Bei der Bezahlung werde kein Unterschied nach Herkunft gemacht.
Frank Wyszowski empfiehlt dies jedem Unternehmer, der daran interessiert ist, in der Ukraine Personal zu akquirieren. „Man muss sich auf Augenhöhe begegnen und ehrlich miteinander umgehen“, sagt er. Wenngleich der monatliche Durchschnittsverdienst dort bei 300 Euro liege, dürfe man nicht auf den großen Reibach hoffen. Denn am Ende soll es eine echte Partnerschaft sein, eine Win-Win-Situation.
Das Serumwerk bezahlt laut Frank Wyszkowski eine Pauschale, um die Kosten zu decken für den Sprachunterricht, der zweimal pro Woche für jeweils zwei Stunden in einer allgemeinbildenden Schule des Dorfes erteilt wird, sowie für die benötigten Materialien.
Ziel sei es, dass die Schüler das Niveau A2 erreichen und damit die deutsche Sprache elementar anwenden können. Alles weitere ergebe sich später. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Sprachintegration am besten durch Arbeit gelingt.“
Dass von den 15 Schülern - der jüngste ist 14 Jahre alt, die älteste 60 - am Ende nicht alle tatsächlich nach Deutschland kommen, sei gar nicht schlimm. „Einige wollen einfach nur ihr Deutsch verbessern“, sagt Monty Weisbach. Sechs bis acht Ukrainer wollen gern in die Fremde gehen. Dafür müssen sie aber gewisse Fachkenntnisse nachweisen, um ein Visum und eine Arbeitserlaubnis zu erhalten.
Mithilfe des Arbeitsamtes in der Ukraine sollen 50 Auszubildende gewonnen werden
Während ihrer Reise haben die beiden Hotelexperten auch Kontakte zum örtlichen Arbeitsamt geknüpft mit der Vision, 50 Auszubildende für Bernburg und Umgebung zu gewinnen. Deshalb soll an der Schule in der benachbarten Kreisstadt Werchowyna noch intensiver Deutsch unterrichtet werden.
Im Frühjahr sollen den Jugendlichen in der Ukraine interessierte deutsche Ausbildungsbetriebe und die neue Wahlheimat Bernburg näher vorgestellt werden. Der Bedarf sei zweifellos da, insbesondere im Handwerk.
„Aktuell sind 78 Lehrstellen im Altkreis Bernburg unbesetzt“, weiß Frank Wyszkowski, der dankbar für seine bisherigen Erfahrungen in dem osteuropäischen Land ist: „Die Leute sind zum Teil viel glücklicher als wir, reden nicht alles schlecht und geben sich mit Kleinigkeiten zufrieden.“ (mz)