Riesiger Reißwolf verschlingt ganze Berge von Papier
BAALBERGE/MZ. - "Es ist unmöglich, die wieder zusammen zu kleben", versichert Konrad Türke, Ansprechpartner für die Firmen, die ihr Schriftgut vernichten lassen wollen.
Aber das ist ja auch nicht Sinn und Zweck. Vielmehr wird hier penibel auf Datenschutz geachtet. Das beginnt schon beim Abholen der Akten in einem Lkw mit geschlossenem Sicherheitsaufbau, das Türke selbst übernimmt. Die Aktenvernichtung der Lebenshilfe selbst werde wieder von einem externen Datenschutzbeauftragten kontrolliert, erzählt Türke. Zehn Mitarbeiter mit Behinderung sind in der Aktenvernichtung fest angestellt, zum Jahreswechsel oder zu besonderen Anlässen wie bei Wahlen wird die Mitarbeiterzahl noch einmal bis auf das Doppelte aufgestockt. "Die Mitarbeiter sind mit Spaß dabei. Sie machen eine Arbeit, die sinnvoll ist, die sich lohnt", erzählt Konrad Türke. Mitarbeiterin Dominque Markgraf bestätigt seine Worte. Ja, sie habe Spaß an der Arbeit, sagt die 29-Jährige, die an vier Tagen in der Woche am Reißwolf arbeitet und Türke freitags beim Dokumentieren der Entsorgung für die Kunden unterstützt. Der 56-Jährige hat den Standort in Baalberge mit aufgebaut. Als früherer Mitarbeiter einer Entsorgungsfirma brachte er das notwendige Know-how mit. Seit 2004 kamen nach und nach neue Kunden hinzu.
Monatlich werden auf dem Gelände in Baalberge heute etwa zwölf Tonnen Akten vernichtet: Unterlagen aus Finanzämtern in Bitterfeld-Wolfen und Merseburg, von der Kreissparkasse, den Krankenhäusern im Kreis und von Firmen wie Solvay, Orbita-Film in Weißandt-Gölzau oder dem Aldi-Logistikzentrum. Die Unmengen von Papier, die auf dem Gelände ankommen, werden zunächst gewogen und anschließend von den Mitarbeitern am Sortiertisch selektiert - nach Verpackungsmaterial wie Kartons, Papier oder so genannte "Fehlwürfe" wie Kataloge und unbeschriftete Briefumschläge. Die Fehlwürfe würden nicht vernichtet, sondern kämen in einen Extra-Container, erklärt Türke. Das Papier wird praktischerweise auf Einkaufswagen verteilt und in die Halle nebenan gefahren. Dort verschlingen zwei riesige Maschinen das Schriftgut aus Verwaltungen und Großindustrie. Die scharfen Kanten der Messer häckseln die vertraulichen Unterlagen je nach Sicherheitsstufe in Klein- und Kleinstpartikel. Immer wieder müssen die Mitarbeiter die sensiblen Messer mit Schneide-Öl einsprühen und beim Nachlegen des Papiers darauf achten, den beiden überdimensionalen Reißwölfen nicht zu viel "Nahrung" auf einmal zuzuschieben. Dafür benötige er verlässliche Mitarbeiter, um die Maschinen nicht zu überlasten, sagt Türke.
Nach dem Zerkleinern werden die Schnipsel hydraulisch zusammengepresst und in Foliensäcke verpackt. Auch das geschieht alles automatisch. Bis zu 60 Kilogramm Papierschnipsel passen in einen solchen Sack, der anschließend wiederum in einem Container landet. Das zu Ballen gepresste Papier wird an die Papierindustrie weiterverkauft, die daraus Toilettenpapier oder Küchentücher herstellt. Es ist also durchaus möglich, dass das Papier im eigenen Haushalt einst Akten in einer Behörde oder einem Archiv waren.