Private Bauherren gewürdigt Private Bauherren gewürdigt: Eine Wonne für Nase und Auge

Bernburg - Die Stadt Bernburg würdigt das Engagement privater Bauherren für ein schöneres Stadt- oder Dorfbild seit über 20 Jahren mit dem Sanierungspreis. Damit ist zwar keine Geldprämie verbunden, aber als symbolische Anerkennung die Übergabe eines Acrylglasschildes für die Fassade des preisgekröntes Hauses.
Für 2018 wird den Ehepaaren Große (Alte Dorfstraße 25 in Aderstedt) und Wiesenmüller (Lindenstraße 5 in Bernburg) diese Ehre zuteil. Die MZ hat die Ausgezeichneten jeweils besucht.
„Es macht Spaß, etwas Altes zu sanieren“, sagt Dirk Große
„Es macht Spaß, etwas Altes zu sanieren“, sagt Dirk Große. Der 43-jährige Tierarzt hatte vor 16 Jahren mit seiner heutigen Ehefrau Ines im Heimatdorf Aderstedt ein verwildertes Grundstück samt Einzeldenkmal aus einer Zwangsversteigerung erworben.
Nach Veterinärmedizin-Studium in Hannover und zweijähriger Tätigkeit als Assistenzarzt in einer nordrhein-westfälischen Pferdepraxis schrieb der gebürtige Bernburger damals gerade an seiner Doktorarbeit, als das Angebot von Clemens Seeber kam, dessen Tierarztpraxis zu übernehmen.
Durch den Tipp von einer Bekannten wurde Dirk Große auf das Grundstück in Aderstedt aufmerksam. „Nach einer Besichtigung war uns sofort klar, wo welche Räume für die Praxis hinkommen“, blickt er zurück.
Das Vierfache vom Kaufpreis für die Sanierung nachgeschossen
Die 1908 erbaute Dorfvilla ist für ihn zu einem „Lebensprojekt“ geworden. Weil der anspruchsvolle Bau mit seiner aufwendigen Schmuckfassade und dem Ziergiebel von den Vorbesitzern nicht denkmalfachgerecht saniert worden war, musste er korrigieren. Ein teures Unterfangen.
„Vom Kaufpreis haben wir bislang ungefähr das Vierfache nachgeschossen“, sagt Dirk Große. Der Sanierungsgrad habe damals gerade mal bei 23 Prozent gelegen, ergänzt seine Frau Ines.
„Als wir hier anfingen, gab es keine Heizung, keine richtige Elektroinstallation. Die Dachdämmung war nicht vernünftig, die Stuckfassade bröckelte schon wieder ab“, sagt er. Auch Fenster und Fußboden mussten erneuert werden.
Vieles am Haus wurde in Eigenleistung restauriert
Mit Hilfe seiner Eltern und zweier Brüder restaurierte der Tiermediziner vieles in Eigenleistung. Auf dem Hof rissen die neuen Eigentümer drei nicht mehr zu rettende Nebengelasse ab, sanierten ein Stallgebäude. Derzeit baut Dirk Große eine eingestürzte Natursteinmauer, die das Grundstück von der Hauptstraße trennt, wieder auf.
Die Zusammenarbeit mit der Denkmalschutzbehörde habe weitgehend funktioniert. „Wir mussten aber auch schon mal auf den Tisch hauen, konnten uns dann gütlich einigen“, sagt Dirk Große. Nach und nach habe die Familie „Leben ins Haus gekriegt“. Nicht nur, weil sich in der Erdgeschoss-Praxis des dreistöckigen Gebäudes die Tierhalter die Klinke in die Hand geben. Mit seiner Frau, die in der Praxis die Büroarbeit managt, zieht der 43-Jährige auch vier Kinder groß.
Der kontinuierliche Sanierungsprozess am Haus ist längst noch nicht am Ende. In den nächsten Jahren will sich das Ehepaar der Dach- und Fassadendämmung widmen - ein Lebenswerk eben.
Wohn- und Geschäftshaus Lindenstraße 5 ist 1893 gebaut worden
Das Wohn- und Geschäftshaus Lindenstraße 5 ist den meisten Passanten als Parfümerie „Flair“ geläufig. Es war 1893 im Stil des Historismus mit neobarocken Elementen errichtet worden. Seit sich Martin und Petra Wiesenmüller 2018 an die Restaurierung getraut haben, ist das Gebäude nicht nur für die Nase, sondern auch fürs Auge eine Wonne.
Das Paar aus Thale - er Kulturhaus-Leiter, sie Handelsökonomin - hatte direkt nach der politischen Wende 1990 den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt und eine Parfümerie in Quedlinburg eröffnet. „Uns wurde schnell klar, dass wir allein gegen die Großen nicht standhalten können“, sagt Martin Wiesenmüller.
So eröffneten beide 1993 an der Wilhelmstraße in Bernburg eine zweite Filiale, weitere Geschäfte in Halberstadt, Wittenberg, Haldensleben und Magdeburg folgten bald. Mittlerweile beschäftigt das Paar 60 Angestellte, darunter fünf Parfümverkäuferinnen und drei Kosmetikerinnen in Bernburg.
Auf dem Boulevard herrscht mehr Leben
Hier hatten Wiesenmüllers jahrelang Ausschau nach einem geeigneten Haus gehalten, weil ihrer Meinung nach auf dem Boulevard mehr Leben herrscht als auf der Wilhelmstraße. Als die Commerzbank-Filiale auszog, nutzten sie die Chance, erwarben gleich die ganze Immobilie und vergrößerten sie zur Hofseite hin.
„Der Verkaufsraum wäre sonst zu klein gewesen“, begründet der 60-Jährige. Im Vorjahr wagte er sich mit seiner Frau dann an eine Restaurierung. Beide hatten schon mit mehreren Häusern in Quedlinburg entsprechende Erfahrungen gesammelt.
Während die Parfümerie von Juni bis September in einen Container in der Fußgängerzone zog, wurde im Verkaufsraum eine tragende Säule entfernt - eine bauliche Herausforderung, weil die Statik angefasst wurde.
20 Meter tiefe Pfahlgründung kostete mehr Geld
„Wegen des schwieriges Baugrundes mussten wir für die Fundamente eine 20 Meter tiefe Pfahlgründung vornehmen“, erklärt Martin Wiesenmüller. Dies habe das Projekt verteuert. Der Aufwand habe sich aber gelohnt. „Es sieht jetzt einladender und zeitgemäßer aus“, ist Martin Wiesenmüller überzeugt, dass die Beratung durch renommierte Innenarchitekten von Erfolg gekrönt ist.
Das Haus erhielt zudem eine neue Dacheindeckung und einen frischen Fassadenanstrich, bei deren Farbgebung die Eigentümer ebenso wie bei der Schaufenstergestaltung eng mit der Denkmalschutzbehörde zusammengearbeitet hatten. (mz)

