Nachts wird nach der Pille geläutet
BERNBURG/MZ. - Apotheker Jörg Wollmann kann derzeit etwas ruhiger schlafen. Da ist nicht das Läuten einer Glocke, die den Apotheker aus der Bernburger "Bär-Apotheke" am Clara-Zetkin-Platz alle paar Stunden weckt. Denn derzeit haben zwei andere Apotheken in Bernburg und Umgebung Notdienst. "Die meisten Leute kommen zwischen 20 und 22 Uhr", sagt Wollmann. Die wenigsten klingeln nach seinen Erfahrungen zwischen 1 und 6 Uhr nachts.
Es seien viele akute Erkrankungen dabei, deren Behandlung keinen Aufschub dulden. Da würde beispielsweise nach Kopf- oder Zahnschmerzmitteln gefragt, nach Medikamenten gegen Übelkeit oder Durchfall. Im Sommer ist auch die Nachfrage nach Mitteln gegen Sonnenbrand und Insektenstiche groß, im Winter indes nach Mitteln gegen Erkältungskrankheiten. "Natürlich kommen auch Rezeptpatienten aus dem Klinikum", sagt Wollmann. Bei Notdiensten am Wochenende würde verstärkt auch nach Spritzen gefragt. Viele Kunden würden als Grund angeben, diese seien zum Insulin spritzen. Doch der Apotheker ist sich ziemlich sicher, dass die Spritzen eher für Drogen verwendet werden.
Manchmal wird auch nach ihm geklingelt, weil jemand dringend eine Zahnbürste oder Kontaktlinsenflüssigkeit benötigt. Aber auch das gehöre zum Notdienst-Geschäft dazu, sagt Jörg Wollmann. "Es kommt auch vor, dass ein Vater am Wochenende mit seiner Tochter vor der Tür steht, und die "Pille danach" verlangt", sagt Wollmann. Auch Hendrik Frenzel, Inhaber der Grünen Apotheke in der Breiten Straße, berichtet von diesen Erfahrungen. "Erst kürzlich hatte ich wieder zwei Nachfragen", erzählt der Apotheker, fügt jedoch hinzu, dass diese Pille ebenso wenig wie die "normale" Pille nicht frei verkäuflich sei. "Auch die "Pille danach" ist verschreibungspflichtig", sagt Frenzel. Ansonsten hat er ähnliche Erfahrungen wie sein Kollege gemacht: Es werden sowohl Rezepte eingelöst als auch frei verkäufliche Medikamente ausgegeben.
Claudia Tscheuschner, Inhaberin der Apotheke im Kaufland-Center, spricht davon, dass der Notdienst "Jahreszeiten abhängig" ist: Zwar kommen nach ihren Aussagen immer Kunden. Aber die Wünsche unterscheiden sich. Derzeit stehen Medikamente gegen Sonnenbrand, Allergien oder Magen-Darm-Infekte hoch im Kurs, im Winter erhoffen sich die Leute Hilfe bei Erkältungen.
Klaus Pfeffer aus der Paracelsus-Apotheke, Kustrenaer Straße, berichtet, dass sich das Notdienst- kaum vom Alltagsgeschäft unterscheide. Nur, dass das Publikum am Wochenende deutlich jünger ist und Jugendliche dann des öfteren mal nach einem Schwangerschafts-Test fragten. Ansonsten werde während des Notdienstes vor allem nach Mitteln gegen Infektionskrankheiten und Schmerzen gefragt: "Dazu gehört alles, was Sie sich an Schmerzen vorstellen können", sagt der Apotheker. Dabei werde nicht nach dem Grad oder der Art der Erkrankung unterschieden. Allen würde geholfen, sofern es machbar ist und es kein Fall für den Arzt ist. "Wir wollen und können keinen wegschicken", betont Klaus Pfeffer. So kämen Patienten mit Rezepten vom Augenarzt und Hals-Nasen-Ohren-Arzt genauso wie Patienten, die gerade aus der Notaufnahme des Klinikums entlassen worden sind, zählt er auf. Aber auch frisch gebackene Mütter suchen ab und zu den Rat des Apothekers außerhalb der regulären Öffnungszeiten. "Wenn es Probleme mit dem Kleinkind gibt, wenn es im Bauch rumort und das Kind nicht zur Ruhe kommen will, werden wir schon mal gefragt", sagt Pfeffer. Auch Verletzungen müssten am Wochenende des öfteren versorgt werden, beispielsweise Schnittverletzungen oder Verletzungen bei Kindern, die vom Fahrrad gestürzt sind.
Aber auch wenn es im Notdienst einmal ruhiger zugeht, werde ihnen nicht langweilig, versichern die Apotheker. "Arbeit gibt es genug", sagt Hendrik Frenzel von der Grünen Apotheke. So sei beispielsweise Zeit, den Schreibtisch aufzuräumen oder einen ausführlichen Blick in die Fachliteratur zu werfen. Auch Klaus Pfeffer erzählt, dass nachts Arbeiten erledigt werden könnten, die tagsüber oft liegen bleiben. "Es gibt aber auch die Möglichkeit, zu schlafen." Denn wenn jemand dringend Hilfe benötigt, gibt es ja die Notdienstglocke.