Kommunalpolitik Nach falschen Angaben der Bernburger Stadtverwaltung gibt Ausschuss Fördermittel frei
Im Hauptausschuss des Stadtrats deutet sich die Ablehnung eines von Professor Erich Buhmann gestellten Fördermittelantrags an - bis die Bernburger Stadtverwaltung unwahre Angaben macht. Was die Beteiligten dazu sagen.

Bernburg/MZ. - Mitte Oktober hatte der Hauptausschuss des Stadtrates die Entscheidung über einen Fördermittelantrag für das „Coffee to stay“, gestellt durch Professor Erich Buhmann vom Verein Kulturmarkt Bernburg, noch vertagt. In zweiter Beratung wurden die gewünschten 1.500 Euro aus der Stadtkasse bei zwei Enthaltungen von Kai Mehliß (BBB) und Claudia Weiss (AfD) zwar einstimmig freigegeben. Doch dieses Ja-Wort aufgrund falscher Angaben aus den Reihen der Stadtverwaltung bleibt nicht ohne Nachspiel.
Eine sparsame Steuergelderverwendung muss auch für Fördermittelempfänger gelten.
Stefan Ruland
Während der Diskussion hatte sich eine mehrheitlich ablehnende Haltung der Ausschussmitglieder herauskristallisiert. Grund des Anstoßes waren die detaillierten Summen, die der Verein anlässlich des siebenjährigen Bestehens des „Coffee to stay“ begehrte. „Das riecht nach einer optimalen Förderrichtlinienausschöpfung“, meinte CDU-Fraktionschef Stefan Ruland. So hatte Buhmann beispielsweise für die Reparatur einer Kaffeemaschine den höchstmöglichen Fördersatz von 200 Euro angegeben. „Bei Kaufland gibt’s neue Kaffeemaschinen für 20 Euro“, sagte Mehliß. Auch für die Beschaffung eines Schulungscomputers, der Migranten digital helfen soll, besser Deutsch zu lernen, war die maximal förderfähige Summe von 1.000 Euro aufgelistet. Sowohl Mehliß als auch Ruland verwiesen darauf, dass PCs sich zu deutlich günstigeren Preisen beschaffen ließen. „Eine sparsame Steuergelderverwendung muss auch für Fördermittelempfänger gelten“, betonte der CDU-Vorsitzende und legte nach: „Wie hat die Verwaltung geprüft, ob die 1.000 Euro gerechtfertigt sind?“ Eine Antwort darauf erhielt er nicht.
Ich sehe hier keine Plausibilität.
Kai Mehliß
Mehliß, Fraktionsvorsitzender von BBB/WsGS, sah eine sparsame und wirtschaftliche Mittelverwendung nicht als gegeben an: „Wir verdienen kein Geld, geben es nur aus und haben eine Verantwortung gegenüber den Bürgern, sparsam damit umzugehen. Ich sehe hier keine Plausibilität.“ Doreen Ermisch (CDU) nahm zudem Anstoß an Honorarkosten von 600 Euro für einen Referenten, der zur Geburtstagsparty eingeladen werden soll: „Da habe ich Bauchschmerzen. Ich vermisse den Grundsatz der Sparsamkeit.“
Regularien angeblich erfüllt
Mehliß und Ruland forderten die Vorlage von jeweils drei Kostenangeboten für die geplante Anschaffungen Projektor, Leinwand, Bildschirm und Schulungscomputer. Doch dann nahm ihnen Oberbürgermeisterin Silvia Ristow (Die Linke) den Wind aus den Segeln: „Es sind keine drei Angebote vorzulegen.“ Sozialamtsleiterin Kerstin Samad sprang ihrer Chefin bei und versicherte, dass der Antrag allen Regularien entspreche. Erst jetzt gaben die Kritiker den Widerstand auf, wenngleich sie ankündigten, die Richtlinie zu überarbeiten. Doch das scheint gar nicht nötig zu sein. Denn die Richtlinie schreibt jetzt schon explizit vor: „Dem Antrag sind folgende Unterlagen beizufügen: (...) bei Anschaffungen ab 250 Euro und bei Investitionen drei schriftliche Kostenvoranschläge.“
Verwaltung spricht von einem „Irrtum“
Nach den MZ-Recherchen räumte die Stadtverwaltung die falschen Auskünfte ein. „Wir haben uns in diesem Fall tatsächlich geirrt. Die Amtsleiterin hatte in Erinnerung, dass die Kostenvoranschläge erst bei der Verwendungsnachweisführung notwendig sind“, teilte Rathaus-Sprecherin Julia Tarlatt mit. Dem Antragsteller sei auf Sachbearbeiterebene eine Fristverlängerung bis 6. Dezember eingeräumt worden, inzwischen seien die Kostenvoranschläge eingegangen. Die günstigsten liegen nach Angaben der Verwaltung jeweils über den im Kostenplan des Antragstellers genannten Summen für Schulungscomputer (1.000 Euro), Projektor (400 Euro), Bildschirm (390 Euro) und Leinwand (290 Euro). „In dieser Woche wird der Antrag vom zuständigen Sachbearbeiter abschließend geprüft und gegebenenfalls bewilligt, zum Teil bewilligt oder abgelehnt“, sagte Julia Tarlatt. Eine erneute Beschlussfassung des nunmehr vollständigen Antrags durch den Hauptausschuss hält die Verwaltung folglich nicht für nötig.
CDU kündigt Überarbeitung der Richtlinie an
„Auf Basis falscher Grundlagen entschieden zu haben, ist irgendwie unschön. Wir sind sehr irritiert über das Verwaltungshandeln und die Intransparenz bei der Vergabe von öffentlichen Mitteln“, sagte Ruland. Die CDU werde deshalb exemplarisch an diesem Antrag das Verfahren von A bis Z begleiten und die daraus erwachsenen Erkenntnisse in eine Novellierung einfließen lassen. Und weiter: „Anders als es unsere politischen Mitbewerber versuchen darzustellen, geht es der CDU-Fraktion nicht um einen Schlag gegen Bündnis90/Die Grünen oder Professor Buhmann, sondern vielmehr um einen fairen Einsatz öffentlicher Mittel über alle Interessengruppen. Unser Gefühl, dass hier nicht alles optimal organisiert ist, hat sich nach der jüngsten Hauptausschusssitzung leider verfestigt.“
Kai Mehliß fordert Aufhebung des Beschlusses
Mehliß hält eine Neuabstimmung für notwendig: „Dieser Beschluss muss sofort außer Kraft gesetzt und nach geltendem Recht neu bewertet werden.“ Dieser Vorgang habe nicht nur rechtliche, sondern auch politische Dimensionen, da die Verwaltung ihre eigenen Förderrichtlinien kennen und korrekt anwenden muss, insbesondere da sie seit dem Jahr 2015 in Kraft sind. „Ich hoffe, dass keine bewusste Täuschung vorlag und fordere eine transparente Aufklärung des Sachverhalts.“
Verein bittet um Spenden
Derweil ruft Buhmann zu Spenden auf, um den Eigenanteil von gut 2.100 Euro aufbringen zu können. „Deutsch lernen ist wohl die zentrale Herausforderung für alle, die neu nach Deutschland kommen. Da die Wartezeiten auf einen offiziellen Deutschkurs oft sehr lang sind, hat das ,Coffee to Stay’ in den vergangenen Jahren zahlreiche Angebote für die Wartezeit gemacht“, sagte er. Die ehrenamtlichen Helfer würden sich noch mehr engagieren wollen. Buhmann zeigte sich dankbar für die Fristverlängerung, hält die Einreichung von Kostenvoranschlägen aber für zu bürokratisch: „Grundsätzlich sollte man sich überlegen, ob für solche kleinen Zuschüsse nicht einfachere Wege gefunden werden, um Steuergelder sorgsam einzusetzen.“ Spenden an den Kulturmarkt Bernburg e.V. auf das Konto DE54 8106 9052 0002 5981 40.
Kommentar von Torsten Adam:
Der Hauptausschuss hat Steuergelder an einen Verein ausgereicht, der die formellen Anforderungen an einen Fördermittelantrag nicht erfüllte. Gefasst wurde dieser Beschluss nur deshalb, weil die Verwaltung trotz mehrfacher Forderung nach vorgeschriebenen Kostenvoranschlägen falsche Angaben gemacht hat.
Dieses Agieren ist merkwürdig und erweckt den Verdacht, die Stadträte vorsätzlich aufs falsche Gleis gesetzt zu haben. Für diese These sprechen mehrere Indizien: Zum ersten prüft die Verwaltung bereits seit neun Jahren Fördermittelanträge nach ein und derselben Richtlinie. Zum zweiten hat sie ausgerechnet in dieser Sitzung eben jene Richtlinie schriftlich zur Kenntnis gegeben. Sich auf deren Unkenntnis zu berufen, erscheint wenig glaubhaft. Und drittens war dem Antragsteller laut Stadtverwaltung eine Fristverlängerung bis 6. Dezember eingeräumt worden. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass im Sozialamt sehr wohl bekannt gewesen sein muss, dass der Antrag bis zur entscheidenden Sitzung des Hauptausschusses am 30. November nicht vollständig war. Dennoch wurde er weder von der Tagesordnung genommen noch wurden die Stadträte auf das Fehlen der Kostenvoranschläge hingewiesen. Seltsam ist zudem, dass dem Antragsteller nicht auferlegt wurde, die Papiere pünktlich einzureichen, nachdem die Zustimmung bei der ersten Sitzung am 17. Oktober wegen Zweifeln am sorgsamen Umgang mit Steuergeldern verschoben wurde. Zwischen beiden Sitzungen lagen ganze sechs Wochen, ausreichend Zeit also.
Der Fall eignet sich, dass in den vergangenen Jahren sehr ausgeprägte Vertrauensverhältnis zwischen Stadtrat und Verwaltung nachhaltig zu beschädigen. Denn jeder ehrenamtliche Kommunalpolitiker könnte sich nun fragen: Müssen wir den Rathaus-Bediensteten genauer als bisher auf die Finger schauen? Als Konsequenz muss der Förderantrag samt Kostenvoranschlägen erneut Hauptausschuss oder Stadtrat zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Wenn formell alles in Ordnung ist, sollte einer Bezuschussung des „Coffee to stay“ für seine wichtige Integrationsarbeit nichts im Wege stehen.