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MZ-Serie Traditionsgeschäfte  MZ-Serie Traditionsgeschäfte : Ein Meister in Beruf und Sport

Von Torsten Adam 01.09.2017, 05:55
Ralf Steinbach (von links), Constanze Steinbach, Reinhard Steinbach und Marcus Knechtel vor dem Steinmetz-Geschäft an Bernburgs Bahnhofstraße.
Ralf Steinbach (von links), Constanze Steinbach, Reinhard Steinbach und Marcus Knechtel vor dem Steinmetz-Geschäft an Bernburgs Bahnhofstraße. Pülicher

Bernburg - Der technische Fortschritt hat Hammer und Meißel, das typische Handwerkszeug eines Steinmetzes, größtenteils aus dem Alltag verdrängt.

Dennoch beherrschen Meister Reinhard Steinbach sowie seine beiden Gesellen Marcus Knechtel und Ralf Steinbach die traditionelle Handarbeit noch immer. Bernburgs einziger ortsansässiger Steinmetzbetrieb blickt auf eine 118-jährige Geschichte zurück und wird mittlerweile in vierter Generation geführt.

MZ-Serie Traditionsgeschäfte: 1899 hat alles angefangen

Alles angefangen hat im Jahr 1899 an der Feldstraße in Waldau. Carl Friedrich Otto Steinbach, damals 31 Jahre alt und Urgroßvater des heutigen Firmenchefs, erweiterte seinen Kolonialwarenhandel im Haus um die Steinmetzerei.

Sein Sohn Rudolf August Otto Steinbach verlagerte den Betrieb später an die Hallesche Straße auf ein Gelände, das später zur HO-Gaststätte „Fortschritt“ wurde. „Dort war damals noch freies Feld“, weiß Reinhard Steinbach.

Als der Staat 1958 in der Nähe ein Wohngebiet aus dem Boden stampfen wollte, „bot er meinem Vater Karl Otto Rudolf zum Tausch ein Grundstück an der Bahnhofstraße an.“ Seit dem Umzug ist der Familienbetrieb hier gegenüber dem Bahnhofsgarten beheimatet, seit nunmehr fast 60 Jahren also.

MZ-Serie Traditionsgeschäfte: Gold bei DDR-Titelkämpfen

Seit Reinhard Steinbach das Wohn- und Geschäftshaus 1999 umbauen und erneuern ließ, prangt auch ein Wortspiel über der Hofeinfahrt, das sich der Ähnlichkeit des Familiennamens zur Berufsbezeichnung widmet.

„Manche Kunden sagen schon mal Herr Steinmetz zu mir“, erzählt Reinhard Steinbach mit einem Schmunzeln. Der waschechte Bernburger kann nicht nur mit Hammer und Meißel umgehen - er beherrscht die Pferdedressur mindestens genauso gut: 1981 holte er bei den DDR-Jugendmeisterschaften in Salzwedel die Goldmedaille.

MZ-Serie Traditionsgeschäfte: Ware mit dem Pferdewagen ausgeliefert

Seine Begeisterung für den Reitsport wurde schon als Kind geweckt. „Mein Vater lieferte damals statt eines Autos mit dem Pferdewagen die Ware aus“, erklärt der heute 57-Jährige. Und Papa war es auch, der den Jungen mit zum Reitverein Biendorf nahm.

Nach Olympia 1964 in Tokio erhielt der Pferdesport in der DDR keine besondere Förderung mehr, der Staat konzentrierte sich auf medaillenträchtigere Sportarten. Die Biendorfer profitierten derweil davon. „Wir hatten plötzlich Zugriff auf olympiataugliche Pferde“, berichtet Reinhard Steinbach.

Mehrmals nahm er an nationalen Titelkämpfen teil, als 21-Jähriger krönte er seine Laufbahn mit Gold. Gern hätte er den Sport professionell betrieben, doch es blieb beim Hobby. Die Arbeit in der Steinmetzerei ging vor, wenngleich der Vater schon mal erlaubte, mittags Feierabend zu machen, um zum Training fahren zu können.

MZ-Serie Traditionsgeschäfte: Im Granitdorf alles gelernt

Nach dem Schulabschluss an der POS „Friedrich Engels“ hatte Reinhard Steinbach eine zweijährige Lehre bei einem volkseigenen Betrieb in Demitz-Thumitz mitten in der Lausitz absolviert. Im „Granitdorf“ lernte der Lehrling die Grundlagen des Handwerks.

„Wir fertigten Grabsteine, Treppenstufen, auch Teile für den Berliner Dom“, erinnert er sich. Nach der Ausbildung ging es zurück in die Heimat, wo er 1980 seine Constanze kennenlernte. „Natürlich im Pferdestall.“

Acht Jahre später heiratete er die Beesenlaublingerin, die sich nunmehr in der Firma um die Kundenberatung und die Buchhaltung kümmert. Sohn Ralf soll einmal in die Fußstapfen des Vaters treten und den Betrieb dann in fünfter Generation führen.

Sein fünf Jahre jüngerer Bruder Robert ist mit dem Handwerk indirekt verbunden - er lernt Veranstaltungskaufmann bei der Handwerkskammer Leipzig.

MZ-Serie Traditionsgeschäfte: Arubagranit ist im Trend

Zwei Drittel der heutigen Aufträge sind Grabmale. „Die ausgefallensten Wünsche waren mal ein Grabstein in Form eines Pilzes und einer Flamme“, erinnert sich Reinhard Steinbach, der nach dem Tod seines Vaters 1989 die Geschäfte übernahm und 2000 seinen Meister nachholte.

Was technisch möglich ist und von der Friedhofsverwaltung genehmigt wird, werde auch realisiert. Doch die meisten Kunden würden ohne konkrete Vorstellung kommen.

„Wir beraten gern. Im Trend ist derzeit ein rotschwarzer Arubagranit. Letztlich muss es aber dem Kunden gefallen und der eigene Geschmack hinten anstehen“, sagt der 57-Jährige.

MZ-Serie Traditionsgeschäfte: Grabmal kann bis 500 Kilogramm wiegen 

Je nach Verfügbarkeit können die Grabmale zwei bis acht Wochen nach Bestellung ausgeliefert werden. Schwere Arbeit. Eine kleine Platte wiegt bereits rund 50 Kilogramm, ein Grabmal schon mal das Zehnfache.

Zum Alltagsgeschäft gehören aber auch Fassadenverzierungen, Treppenstufen und Fensterbänke.

Die Freizeitbeschäftigung nach der Arbeit ist für Reinhard Steinbach damals wie heute die selbe: Reiten. Nur dass er inzwischen als Trainer sein Wissen weitervermittelt, unter anderem auf dem Freigut Garsena und in Neu Königsaue. Auch Sohn Ralf hat er seine Passion vererbt: Der 26-Jährige reitet in Westdorf.

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Läden eröffnen, wechseln den Besitzer oder ihren Standort, sie schließen wieder. Und doch gibt es sie noch - die Traditionsgeschäfte in der Region, die teilweise sogar verschiedenste Gesellschaftsformen mit- und überlebt haben. In Bernburg mehr als in den umliegenden Kleinstädten und Dörfern, die aufgrund der niedrigen Kaufkraft noch viel mehr mit der wachsenden Konkurrenz aus dem Internet zu kämpfen haben. Aber eben nicht jede Dienstleistung und jedes Produkt lässt sich heutzutage mit einem Mausklick online nach Hause bestellen. Was wäre das für ein Leben ohne Bäcker, Fleischer, Friseure, Modeboutique, Optiker oder Tabakhändler vor Ort?

Die MZ stellt in der Serie „Unsere Schaufenster“ einmal wöchentlich Geschäfte im Altkreis Bernburg vor, die mindestens ein Jubiläum gefeiert haben, die es also schon 25 Jahre und länger gibt.

Sind Sie selbst Inhaber eines Traditionsladens oder kennen Sie

einen, den die MZ in ihrer Serie bisher noch nicht vorgestellt hat? Dann rufen Sie uns doch einfach an unter Telefon 03471/ 6 52 0 210 oder schreiben eine E-Mail an [email protected] (mz)

Ein Bild aus den 1970er Jahren zeigt Reinhard Steinbachs Vater bei Restaurierungsarbeiten an der Inschrift des Bernburger Rathauses.
Ein Bild aus den 1970er Jahren zeigt Reinhard Steinbachs Vater bei Restaurierungsarbeiten an der Inschrift des Bernburger Rathauses.
pülicher