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Wahl des "Mr. Gay Germany" "Mr. Gay Germany": Andreas Petz aus Bernburg tritt an

Von Frauke Holz 26.09.2016, 16:29
Zu den Lieblingsorten in Bernburg gehört für Andreas Petz die Aussichtsplattform oberhalb der Saale mit dem Schloss im Rücken.
Zu den Lieblingsorten in Bernburg gehört für Andreas Petz die Aussichtsplattform oberhalb der Saale mit dem Schloss im Rücken. Engelbert Pülicher

Bernburg - Den Milchkaffee trinkt er mit zwei Päckchen Zucker, an seinen Ohrläppchen funkeln zwei Stecker, sein Haar ist von blonden Strähnchen durchsetzt. Ist das typisch schwul? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Was spielt das schon für eine Rolle? Sollten nicht innere Werte und das, wofür man(n) einsteht, einen Menschen auszeichnen? Es sind Vorurteile wie diese, mit denen Andreas Petz aufräumen will. Nicht zuletzt deshalb hat er sich zur Teilnahme an der Wahl zum Mr. Gay Germany beworben. Anfangs noch aus Jux, wie er sagt. Doch mittlerweile ist aus Spaß Ernst geworden, denn am kommenden Sonnabend wird er sich im Vorentscheid mit 19 weiteren Kandidaten aus ganz Deutschland einer Jury in Köln stellen. Der Wahl-Bernburger ist dabei der einzige Vertreter aus Sachsen-Anhalt.

Bereits im Alter von 13 Jahren bemerkt Petz, dass er „anders“ ist, was er früher jedoch nicht einordnen konnte. Heute weiß der mittlerweile 31-Jährige: „Ich bin bisexuell, mit Tendenz zu Männern.“ - und steht dazu. Zu Schulzeiten jedoch wird dieses Anderssein zum Problem und er selbst zum Außenseiter. An ein Outing ist damals keinesfalls zu denken. Erst Jahre später wagt er diesen Schritt. Seiner Familie gesteht er seine Homosexualität sogar erst, als er bereits 27 Jahre alt ist - und seinen jetzigen Freund zu einer Familienfeier mitbringt. „Sie haben es sicher schon geahnt“, meint er rückblickend - und bereut fast, sich nicht eher geoutet zu haben. Denn: „Es war eine Erleichterung und gar nicht so schlimm wie gedacht.“ Zwar hätten sich ein paar Freunde von ihm abgewandt, aber größtenteils habe er Akzeptanz erfahren - privat wie beruflich.

Dass dies jedoch keine Selbstverständlichkeit ist, hat auch Petz schon am eigenen Leib zu spüren bekommen. Schimpfwörter wie „Schwuchtel“ wurden ihm zuhauf an den Kopf geworfen, tangieren ihn mittlerweile aber nicht mehr. Es sind andere Diskriminierungen, die ihn wirklich treffen. „Einer hat mal zu mir gesagt: ,So etwas wie dich hätte man früher vergast.’ Das verletzt.“

„Nicht jeder Homosexuelle ist Friseur und hat Aids"

Hinzu kommen die Klischees und das Schubladendenken, womit er beinahe tagtäglich zu kämpfen hat. „Nicht jeder Homosexuelle ist Friseur, hat Aids oder ist gar pädophil“, stellt Petz klar, der ebenfalls alles andere als „typisch schwul“ ist - was auch immer das genau sein mag. Er selbst hält sich für ziemlich normal. Er spielt Badminton im Verein, ist in seiner Freizeit als DJ unterwegs und geht einem „normalen“ Beruf nach. Seit 2008 ist der Metallarbeiter in einem Unternehmen in Aschersleben tätig. Probleme mit seiner sexuellen Orientierung habe dort niemand. Im Gegenteil. Seine Kollegen stehen zu ihm und unterstützen ihn bei der bevorstehenden Wahl am Sonnabend, bei der sich entscheiden wird, wer ins Finale einzieht. Maximal zehn Männer kommen weiter.

„Ich hätte nicht gedacht, dass ich einer von den letzten 20 bin“, sagt der gebürtige Havelberger, den es zunächst mit der Familie nach Unseburg und später der Liebe wegen nach Bernburg verschlagen hat. Hier lebt er gemeinsam mit seinem Freund, der anfänglich alles andere als begeistert von der Idee gewesen sei. „Ich habe ihn quasi vor vollendete Tatsachen gestellt“, erzählt Petz. Erst als seine Bewerbung angenommen wird und er ein Video von sich drehen soll, weiht er seinen Freund, mit dem er seit 2011 liiert ist, ein. Im gemeinsamen Urlaub an der Ostsee entsteht schließlich der kurze Film, der nun auf dem Online-Videoportal Youtube zu sehen ist. Knapp 2000 Mal wurde dieser bereits aufgerufen. Und Petz hofft, dass bis zum Freitag noch einige Klicks hinzukommen, denn je mehr, desto besser. Diese werden im Anschluss, ebenso wie die Likes im sozialen Netzwerk Facebook, in Punkte umgerechnet.

Es ist allerdings nur eine von insgesamt sechs Kategorien, in denen sich die Kandidaten beweisen müssen. Am Sonnabend stehen die fünf übrigen an. Angefangen bei einem Fotoshooting sowie Catwalk über ein Interview vor der Kamera und ein Gespräch mit der Jury bis hin zu einem schriftlichen Test mit Fragen aus der Szene. Während Petz das Laufen und Posieren zu Hause vor dem Spiegel oder in einer ruhigen - und unbeobachteten - Minute auf Arbeit üben kann und sich darin recht sicher fühlt, bereitet ihm der Fragenkatalog schon jetzt schlaflose Nächte. In den Vorjahren wurde beispielsweise nach Befah und Harvey Milk gefragt. Dass es sich bei ersterem um den Bundesverband der Eltern, Freunde und Angehörigen von Homosexuellen handelt und bei letzterem um einen schwulen, amerikanischen Politiker und Bürgerrechtler der Schwulen- und Lesbenbewegung dürfte nicht allen bekannt sein.

Und somit ist die Wahl zum Mr. Gay Germany weit mehr als nur ein Schönheitswettbewerb - auch für Andreas Petz. „Falls ich es schaffen sollte, den Titel nach Sachsen-Anhalt zu holen, möchte ich mich für mehr Toleranz und Akzeptanz in der Bevölkerung einsetzen“, sagt er. Dabei spiele die Sexualität nur eine Nebenrolle. „Mir geht es eher darum, dass niemand das Recht hat, über andere Menschen zu urteilen, nur weil dieser in seinen Augen nicht ,normal’ ist.“ Sein Ziel hat er dabei fest im Blick: „Ich bin schon soweit gekommen, jetzt will ich auch gewinnen.“ (mz)