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Heimatgeschichte Johann Ignaz Fuchs ist der Vater der Weltzeituhr

Der ehemalige Westfale gründete in Bernburg eine Turmuhrenfabrik. Warum sein Vermächtnis eng mit einer Katastrophe verbunden ist.

Von Martin Stolzenau Aktualisiert: 05.09.2021, 16:18
Die "Simson" und die "Mosel" kurz vor dem Bombenanschlag.
Die "Simson" und die "Mosel" kurz vor dem Bombenanschlag. Foto: Wikipedia

Bernburg/MZ - Johann Ignaz Fuchs stammte aus Westfalen, gründete in Bernburg eine Turmuhrenfabrik mit feinmechanischer Werkstatt, glänzte mit seinen Turmuhren auch auf der Weltausstellung 1873 in Wien und schuf als Höhepunkt die geografisch-astronomischen Weltzeituhren für Welda und Bernburg, die bis heute beeindrucken. Mehr noch. Der herausragende Mechaniker entwickelte als Erfinder auch anderen Gerätschaften. Das reichte von einer Sicherheits-und Alarmanlage für Strafanstalten bis zu einem Mechanismus, der als Vorläufer des modernen Zeitzünders bei Bomben gilt.

Auf Wanderschaft

Johann Ignaz Fuchs wurde am 30. Juli 1821 in Welda geboren. Der Ort liegt am Südausläufer des Teutoburger Waldes, entstand ab 500 n. Chr. und wurde 836 erstmals im Codex Eberhardi schriftlich erwähnt. Welda gehörte später zum Fürstbistum Paderborn und ist heute mit Sehenswürdigkeiten wie der Kirche St. Kilian und dem Schloss ein Ortsteil der Stadt Warburg im nordrhein-westfälischen Landkreis Höxter. Fuchs erlernte nach dem Schulabschluss den Beruf des Mechanikers und ging anschließend quer durch Deutschland auf Wanderschaft bis in die Nachbarländer. Dabei erweiterte er sein technisches Wissen erheblich.

Auf dem Rückweg in die nordwestdeutsche Heimat machte er in Zerbst in Anhalt Station, wo er nach dem Tod des ihn beherbergenden Uhrmachermeisters dessen Tochter heiratete und dessen Geschäft übernahm. 1845 wechselte Fuchs dann mit seiner Werkstatt und wachsenden Familie von der ehemaligen Residenzstadt Zerbst in die Noch- Residenzstadt Bernburg. Sein Geschäft füllte eine Marktlücke, florierte mit einem breiten Angebot und erlangte dank der technischen Tüfteleien von Fuchs bald einen überregionalen Ruf.

Die geographisch-astronomische Weltzeituhr in Bernburg.
Die geographisch-astronomische Weltzeituhr in Bernburg.
Foto: Pülicher

Qualität überzeugt Kunden

Aus der Uhrenwerkstatt wurde eine Turmuhrenfabrik mit feinmechanischer Werkstatt. Die Produktionspalette reichte von Taschenuhren und Wohnungsuhren über große Turmuhren bis zu einer Vielzahl anderer technischer Gerätschaften, die der Meister auf Verlangen fertigte. Seine Auftraggeber kamen außer aus Anhalt bald aus ganz Deutschland. Diese Aufwärts-Entwicklung wurde dadurch befördert, das Fuchs einerseits mit Qualität Kunden anzog und andererseits auf Messen wie in Leipzig ausstellte und Bekanntheit erlangte.

So erhielt der Tüftler auf der Wiener Weltausstellung 1873 für sein neuartiges Uhrwerk sogar die Silbermedaille. Die in Wien ausgestellte Turmuhr schenkte er danach seinem Geburtsort Welda, wo sie im Turm der St. Kilians- Kirche eingebaut wurde und bis heute funktioniert. Dazu gesellten sich die Weltzeituhr für Bernburg und Aufträge für weitere Turmuhren im Hochstift Paderborn, die die Erinnerung an ihn bis in die Gegenwart wachhalten.

Der Täter Alexander Keith alias William King Thomas.
Der Täter Alexander Keith alias William King Thomas.
Foto: Wikipedia

Der Bernburger Techniker profitierte zusätzlich von der Reichseinigung nach dem deutsch-französischen Krieg und konnte immer mehr Kunden aus ganz Deutschland begrüßen. Einige kamen sogar aus dem Ausland. Deshalb erregte es auch keinen Verdacht, als am 9. März 1875 ein US-Bürger dem Bernburger Techniker einen Spezialauftrag erteilte. Mr. Alexander Keith alias William King Thomas wünschte einen geräuschlosen Uhrenmechanismus mit einem mechanisch einstellbaren Auslöser für den Mechanismus. Er begründete die speziellen Wünsche mit Erfordernissen im Produktionsablauf seines amerikanischen Betriebes. Fuchs lieferte, wurde gut bezahlt und ahnte nichts Böses.

Betrug fliegt auf

Einige Monate später entnahm er einer Zeitungsmeldung, dass in Bremerhaven das Auswandererschiff „Mosel“ mit Ladung und Passagieren eine Explosion erlebt hatte. Im Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen stellte sich zum Schrecken von Fuchs heraus, dass sein amerikanischer Kunde eine hochversicherte Ladung mit einem Fass Dynamit und dem Uhrenmechanismus des Bernburger Technikers hatte an Bord bringen lassen.

Doch die auf hoher See geplante Explosion ereignete sich durch unsachgemäßen Umgang mit der Ladung schon im Hafen. Es gab 83 Tote und rund 200 Verletzte. Der Versicherungsbetrug flog auf. Der Amerikaner beging nach einem Geständnis, das Fuchs entlastete, Selbstmord. Die Katastrophe von Bremerhaven beschäftigte wochenlang die internationale Presse und machte Fuchs zusätzlich berühmt. Auf diese Art Ruhm hätte der Bernburger aber gern verzichtet. Doch der „erste mechanische Zeitzünder“ löste eine internationale Auftragsflut für Fuchs aus. Sein Betrieb boomte. Die Kasse klingelte. Das trug ihm und seiner Familie auf Dauer Wohlstand ein. Darüber starb der Techniker 1893 in Bernburg.