Hochwasser 2013 in Bernburg Hochwasser 2013 in Bernburg: Vier Jahre Schweigen

bernburg - Die verheerende Überschwemmung im Juni 2013 hatte die gesamte Gartenstraße in Bernburg tagelang unter Wasser gesetzt. Noch heute klagen viele Anwohner über nasse Keller und feuchte Wände in den Wohnräumen. Möglicherweise ist für dieses Dilemma aber nicht nur die Saale-Flut allein verantwortlich. Offenbar versickert seit mehreren Jahren mit Wissen des Wasserzweckverbandes (WZV) Saale-Fuhne-Ziethe Abwasser aus maroden Hausanschlussleitungen im Erdreich.
Hans-Georg und Ingeborg Franke sitzen einigermaßen verwundert in der Küche ihrer Tochter. Vor sich einen Brief, in dem sie vor wenigen Wochen vom Wasserverband darüber informiert worden sind, dass noch in diesem Jahr ihre Abwasserleitungen, die vom Grundstück zum unter der Fahrbahn der Gartenstraße liegenden Hauptkanal führen, repariert werden sollen. Dass diese überhaupt kaputt sind, wussten sie bislang nicht, der Wasserverband indes sehr wohl - seit vier Jahren! Am 10. Februar 2011, direkt nach dem ersten der beiden jüngeren schweren Saale-Hochwasser, hatte eine Kamerabefahrung der Hausanschlüsse im Straßenzug massive Schäden offenbart.
Im Auswertungsprotokoll ist von Rissen, undichten Rohrverbindungen und fehlenden Rohrwandstücken die Rede. Seitdem fließt das Wasser offenbar ungehindert in den Boden, der kaum abtrocknen kann. „Wir müssen die Kellerräume Tag und Nacht lüften, in der Wohnung fällt der nach dem Hochwasser 2013 aufgebrachte neue Putz bereits wieder von der Wand“, schildert Hans-Georg Franke die Situation.
Jetzt reagiert
Dass der Wasserverband jetzt reagiert, hängt mit der von der Stadt Bernburg in diesem Jahr geplanten Sanierung der Gehwege zusammen, für die sie Fördermittel aus dem Fluthilfefonds erhalten hat. „Was wäre gewesen, wenn die Fußwege nicht neu gemacht werden würden?“, fragt sich der Rentner ebenso wie seine Nachbarn. Erst auf Initiative seiner ebenfalls an der Gartenstraße wohnenden Tochter hatte es vor zwei Wochen eine Anwohnerversammlung mit einem Vertreter des Wasserverbandes gegeben - und Antworten, die nicht befriedigt hätten. Deutlich sei lediglich geworden, dass die Grundstückseigentümer für die Reparaturen zur Kasse gebeten werden - mit bis zu 300 Euro je Meter Rohrstück. Da kann schnell eine vierstellige Summe zusammenkommen.
Hans-Georg Franke ist nicht nur wegen des jahrelangen Schweigens des Wasserverbandes verstört. Ihn wundert ebenso, dass plötzlich sämtliche Hausanschlüsse im Straßenzug desolat sein sollen. Als 2008 der Hauptkanal neu verlegt worden war, sei sein eigener Abzweig jedenfalls noch in Ordnung gewesen. Er fordert vom Wasserverband, nun keine Flickschusterei zu betreiben und die Hausanschlüsse soweit zu sanieren, dass sie dauerhaft sicher sind. Ebenso sei vor Beginn der Schachtarbeiten eine erneute Kamerabefahrung notwendig, weil die letzte Bestandsaufnahme nunmehr vier Jahre alt ist und das Hochwasser 2013 inzwischen vermutlich die Schäden noch vergrößert hat.
Kamerabefahrung
„Die Leute hier haben seit der Flut alle Angst um ihre Häuser“, sagte seine Ehefrau Ingeborg. Was aufgrund des nassen Untergrunds passieren kann, haben die Anwohner täglich vor Augen: Wenige Tage vor der Kamerabefahrung im Februar 2011 musste eine Familie ihr gerade restauriertes Haus an der Gartenstraße aufgeben, nachdem es auseinandergebrochen war.
Warum ist der Wasserzweckverband vier Jahre lang untätig geblieben? Geschäftsführer Werner Schulze hat auf MZ-Nachfrage darauf eine lapidare Antwort: „Die Leitungen sind nicht total kaputt, sonst hätten wir gleich gehandelt.“ Um danach wieder zurückzurudern. Mit der Tatsache konfrontiert, dass laut Protokoll die 2011 festgestellten Schäden von einer beauftragten Wittenberger Fachfirma in die Kategorien drei und vier - fünf ist die schwerste - eingestuft worden sind, schätzte Werner Schulze dann doch ein, dass bei diesen Schadensklassen eine „zeitnahe Reparatur“ fällig wäre. Die Untätigkeit kann zumindest keine finanziellen Gründe gehabt haben: Denn laut WZV-Satzung müssen die entstehenden Sanierungskosten für die Abwasser-Hausanschlüsse im öffentlichen Raum zwischen Hauptkanal und Grundstücksgrenze vollständig von den Anwohnern getragen werden.
Dem Kreisumweltamt war der Sachverhalt nach eigenen Angaben bis zur MZ-Nachfrage unbekannt. Kreissprecherin Alexandra Koch kündigte an, dass die Behörde dem Fall nun nachgehen wird. (mz)