Von Bernburg zum Polarkreis Gunnar Rieche erlebte 1992 die Camping-Reise seines Lebens
Vier Wochen lang war er in Skandinavien unterwegs und traf sogar auf Eskimos.

Bernburg/MZ - Tage ohne Nächte, ein Abstecher zum Weihnachtsmann und dann noch ein Schwatz mit den Eskimos: Gunnar Rieche aus Bernburg hat das hautnah erlebt, was die meisten nur aus dem Fernsehen kennen.
Vor knapp 30 Jahren, im Sommer 1992, düste er mit seiner Frau einfach drauf los. Immer weiter gen Norden. Nach der Wende und der Grenzöffnung für die DDR-Bürger war das endlich möglich. „Ich wollte dann nicht in irgendein Hotel, ich wollte eine Abenteuerreise machen. Und Skandinavien hat mich schon immer gereizt, weil dort noch richtige Wildnis ist“, erzählt der heute 76-Jährige. Gesagt, getan.
Mit dem Qek Junior unterwegs
Für den vierwöchigen Tripp wurde der DDR-Wohnanhänger, ein Qek Junior, die einst unter anderem in Bernburg produziert wurden, mit Kissen, Decken, dicker Jacke und Proviant vollgestopft und los ging die Fahrt. Immer der Landkarte nach, schließlich war an ein Navigationsgerät längst noch nicht zu denken.

Die alte Landkarte hat Rieche noch im Schrank aufbewahrt. Auf der hat seine inzwischen verstorbene Frau damals mit schwarzem Filzstift die Route eingezeichnet. Sie reichte von Bernburg über Trelleborg in Schweden, wo Endstation der Autofähre war. Dann ging es immer weiter durch die Taiga bis kurz vor das Nordkap, der nördlichsten Provinz Norwegens.
„Wir waren da auf Wegen unterwegs, auf denen nur ein Auto fahren konnte. Stundenlang trafen wir keine Menschenseele“, erinnert sich Rieche, genauso aber auch an die große Hilfsbereitschaft als plötzlich nur noch eine Pfütze Diesel im Tank war, aber nirgendwo eine Tankstelle. „Wir haben dann Leute in einem kleinen Dorf gefragt - mit Händen und Füßen, denn verstehen konnte man sie mit ihrem Slang nicht. Aber sie haben uns einfach ein bisschen Diesel von sich abgegeben. Kostenlos. Jeder braucht jeden, haben sie nur gesagt“, erzählt Rieche. Und so konnten er und seine Frau die Fahrt in Richtung Nordpol fortsetzen.

Immer umgeben von mit Schnee bedeckten Hügeln, durch einen führte sogar ein mehrere Kilometer langer Tunnel. Ganz schön dunkel sei die Fahrt hindurch gewesen. Doch der Ausblick danach entschädigte alles. Überall gab es kleine Seen, in denen sich das Paar erfrischen konnte. Immerhin ein paar Grad über null zeigte das Thermometer an. „Irgendwo mussten wir uns waschen, denn im Camper hatten wir kein Bad“, erzählt Rieche, der zum anschließenden Aufwärmen ein Feuerchen machte.
Fladenbrot und Elchwurst auf dem Speiseplan
Anders als in einem Sterne-Hotel stand auch regelmäßig das Gleiche auf der Speisekarte: Fladenbrot und Elchwurst. Beides gab es überall zu kaufen - zumindest, wo mitten in der Steppe Zivilisation zu finden war. Ein bisschen zu viel für Rieches Geschmack fanden sie im Weihnachtsmanndorf im finnischen Rovaniemi. Viel zu viele Touristen! Darum fuhren die Camper lieber weiter und fanden das, wonach sie lange gehofft hatten - ein Treffen mit wahrhaftigen Eskimos. Oder besser Lappen. Eingepackt in dickem Pelz. „In Iglus haben sie aber nicht gelebt. Sie hatten richtige Häuser“, erzählt Rieche, der von den nordischen „Ureinwohnern“ sogar Kaffee in einer Tasse eingeschenkt bekam. „Sie waren sehr offen und haben uns gleich zum Feuer herangeholt“, erinnert sich Rieche an einen unvergesslichen Moment.

Einer von ganz vielen auf den 5.000 Kilometern, die der Tacho nach diesem Abenteuer anzeigte. Es sollte nicht das letzte, aber dafür das aufregendste bleiben. Denn auch heute reist Rieche am liebsten mit seiner Partnerin nach Skandinavien. Inzwischen nicht mehr ganz so spartanisch wie früher. Den unbeheizten Wohnanhänger, mit dem er auch viele Ecken Deutschlands bereiste, hat er längst gegen ein kleines Segelboot getauscht.
Die Sonnenuntergänge genießt er deshalb von den großen Fenstern des gebuchten Schwedenhauses aus. Und noch heute kommen typisch nordische Spezialitäten auf den Tisch - neben Elchwurst auch die traditionellen schwedischen Fleischbällchen Köttbullar und frisch gefangener Fisch. Den Süden mit Hitze und Meer vermisst er dabei nicht: „Es ist ein Trugschluss, dass man denkt, dass es im Norden nur kalt ist. Im Sommer scheint die Sonne Tag und Nacht.“ Und genau das macht den Zauber des Nordens für ihn so aus.