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Heimatgeschichte Exkursion durch das malerische Dorf Biendorf

Zum 14. Mal führten der Arbeitskreis Archäologie im Bernburger Land und der Vereins für Anhaltische Landeskunde durch einen Ort im Altkreis. Was die mehr als 60 Teilnehmer zu sehen bekamen.

Von Torsten Adam 25.04.2022, 12:09
Karsten Falke führte mehr als 60 Interessenten bei der Frühjahrsexkursion durch Biendorf. Erste Zwischenstation war der Alte Turm mit dem Grabstein von Hermann und Amalie Zscheye.
Karsten Falke führte mehr als 60 Interessenten bei der Frühjahrsexkursion durch Biendorf. Erste Zwischenstation war der Alte Turm mit dem Grabstein von Hermann und Amalie Zscheye. Foto: Torsten Adam

Biendorf/MZ - Ein Schloss, ein Rittergut, eine der seltenen in den 1920er Jahren gebauten Kirchen und Reste eines alten Gotteshaus aus dem 13. Jahrhundert - Biendorf lässt das Herz jedes Bauhistorikers höher schlagen. Aber nicht nur von ihnen. Mehr als 60 Interessenten folgten am Samstag bei herrlichem Sonnenschein der gemeinsamen Einladung des Arbeitskreises Archäologie im Bernburger Land und des Vereins für Anhaltische Landeskunde zur 14. Frühjahrsexkursion.

Zwei Jahre Pause

Eigentlich sollte das hübsche Dorf schon vor zwei Jahren erkundet werden - die Pandemie machte ebenso wie 2021 einen Strich durch die Rechnung. Exkursionsleiter Karsten Falke startete mit den Teilnehmern an der Gaststätte „Zur Linde“, wo sich einst das kleinste der drei Rittergüter befand. „Biendorf hat den typischen Charakter eines Gutsdorfes, Bauernhöfe fehlen im Ortsbild“, sagte er. Der Grund: Viele dieser Höfe seien im Mittelalter wüst gefallen und dann durch die Rittergüter vereinnahmt worden. Das größte von ihnen wird heute durch die bayrische Saatgutfirma Bauer bewirtschaftet. Hier hatte einst Carl Braune, seit 1868 Pächter, die Tradition der Saatgutzucht begründet. Sein Rübensamensorte „Elite“ erlangte Weltruhm.

Im späten 18. Jahrhundert entstand auf dem Gutshof das Herrenhaus mit seiner ortsbildprägenden Turmhaube.
Im späten 18. Jahrhundert entstand auf dem Gutshof das Herrenhaus mit seiner ortsbildprägenden Turmhaube.
Foto: Torsten Adam

Turm auf der falschen Seite

Bevor die Exkursion aber zum Gut führte, das sich zeitweise im Besitz der Fürsten von Anhalt-Köthen und der Familie von Hagen befand, waren die beiden Gotteshäuser des Ortes erste Zwischenstationen. Vom älteren, vermutlich im 13. Jahrhundert errichtet, ist nur noch der Turm erhalten geblieben. Wohl weil der Anbau die Familiengruft der von Hagens beherbergt, wurde er nicht wie das baufällige Kirchenschiff Mitte des 19. Jahrhunderts abgerissen. „Dass der Turm nicht wie üblich im Westen an das Schiff anschloss, sondern auf der Ostseite, ist eine bauliche Besonderheit“, so der Exkursionsleiter. Seit der Restaurierung nach dem Hagelsturm 2011 kümmert sich der Heimatverein um das Bauwerk, das etwas versteckt im Ortskern liegt.

Neu, aber schlicht

Nicht so wie die neue Kirche direkt an der Straße nach Wohlsdorf. 1928 wurde sie erbaut, weil neun Jahre zuvor ein Feuer das Schloss samt Kapelle vernichtet hatte. Ein neuer Platz für die Gottesdienste musste also her. So sichtbar wie das Gotteshaus an der Kaiser-Otto-Straße thront, so schlicht ist es. „Es wurde gemäß dem damaligen Zeitgeist im Stil der Neuen Sachlichkeit errichtet“, wusste Karsten Falke. Für etwas Glanz sorgen die hübschen Buntglasfenster, die zum einen Familie Braune, zum anderen namentlich jedem im Ersten Weltkrieg gefallenem Biendorfer gewidmet sind.

Die Kirche an der Kaiser-Otto-Straße wurde 1928 im Stil der Neuen Sachlichkeit erbaut.
Die Kirche an der Kaiser-Otto-Straße wurde 1928 im Stil der Neuen Sachlichkeit erbaut.
Foto: Torsten Adam

Fruchtbares Land

Andreas Neubert nutzte die Gelegenheit, in diesem Ambiente über die Siedlungsgeschichte des germanischen Dorfes inmitten des einst slawischen Territoriums sowie über archäologische Funde zu berichten. 974 erstmals urkundlich erwähnt, ließen sich die Menschen schon nach Ende der Eiszeit in der Gegend nieder, um den fruchtbaren Ackerboden zu bewirtschaften.

Weltrekordverdächtige Sammlung

Vom Glanz vergangener Tage künden auch die verbliebenen Bauten des Schlosses wie der Torturm und die Orangerie. Neben dem 1919 niedergebrannten Hauptgebäude ist in den Folgejahren ein neues Herrenhaus entstanden, heute bewohnt von der niederländischen Familie van de Merwe. Sie besitzt in ihrem Privatmuseum nicht nur die größte Fingerhutsammlung der Welt, sondern bewahrt auch ein sehr schmuckvolles Epitaph auf, für dessen Restaurierung sie sich mit dem Heimatverein engagierte. Das Grabdenkmal ist Gutsherrin Dorothea von Hagen gewidmet.

Das wunderschön restaurierte Epitaph, das im Schloss  ausgestellt wird, ist Dorothea von Hagen gewidmet.
Das wunderschön restaurierte Epitaph, das im Schloss ausgestellt wird, ist Dorothea von Hagen gewidmet.
Foto: Torsten Adam

Braunkohlenbergbau sorgt für Aufschwung

Letzte Station auf der dreistündige Tour war der Bahnhof, ab 1847 einziger Zwischenhalt auf der neuen Bahnstrecke Bernburg - Köthen. Später stieg seine Bedeutung durch den Braunkohlenbergbau in der Umgebung.

Wohin die 15. Frühjahrsexkursion im nächsten Jahr führen wird, ist noch nicht bekannt. „Uns gehen langsam die Dörfer im Bernburger Land aus“, sagte Karsten Falke. Eine Überlegung ist, wieder von vorn anzufangen.