Einschulung Einschulung : Jasmins großer Tag

plötzkau - Den noch leeren Schulranzen hat sie sich schon auf den Rücken geschnallt, nervös tippelt Jasmin im Hausflur hin und her. Die Aufregung der sechsjährigen Plötzkauerin ist nachvollziehbar. Heute ist ihr großer Tag - endlich Schulkind.
Dass der Weg zum Unterricht für Jasmin künftig nur rund 200 Meter weit die Hauptstraße hinunter führt, war vor gut zwei Jahren undenkbar. Bittere Tränen flossen damals im Dorf, als wegen der Zwangsschließung die über 300-jährige Schulgeschichte Plötzkaus endete. Vorerst. Bürgermeister Peter Rosenhagen gab nicht auf, kämpfte wie ein Löwe - jenes mutige Tier, das als Sinnbild für das Konzept der freien Oskar-Kämmer-Grundschule steht: MUTIG. Die fünf Großbuchstaben stehen dabei für Mensch, Umwelt, Technik, Informatik und Gesundheit.
Für ihre Einschulung hat sich Jasmin als kleine Prinzessin herausgeputzt: ein pfirsichfarbenes Kleidchen, eine gleichfarbige Blume zwischen die Zöpfe gesteckt, weiße Schnallenschuhe. Ob sie sich auf die Schule freut? Die Sechsjährige nickt verlegen. „Malen“, das gefalle ihr besonders. Und einen Lieblingsbanknachbarn hat sich das Mädchen auch schon auserkoren: Fynn soll es sein.
Den Jungen kennt Jasmin aus der Kita „Gänseblümchen“. Bis auf eine Ausnahme sind alle Altersgenossen von dort in die Plötzkauer Schule gewechselt. Trotz Schulgeld, das der freie Träger, die Oskar-Kämmer-Schule Wernigerode erhebt. Aber für die Eltern André und Melanie Meyer zählt in erster Linie das Motto „Kurze Wege für kurze Beine.“
An der Hand vom Papa läuft Jasmin zur Einschulungsfeier. Dahinter folgt die Familie. Mutter Melanie begleitet den dreijährigen Anton, der eine kleine Zuckertüte bekommen hat damit er nicht neidisch auf seine große Schwester sein muss. Im Haus der Vereine ist die erste Sitzreihe für die Abc-Schützen reserviert. Jasmin nimmt Platz neben Clara, Samantha, Jette, Sarah, Selma Antonella, Lucy, Amy-Lynn, Emma, Malin-Luisa, Joe, Paul, Lenny, Fynn, Benny und Lucas. Mindestens 15 Kinder bedurfte es für einen erfolgreichen Schulstart, 16 sind es geworden. Die meisten wohnen in der Gemeinde, die anderen in Alsleben, Aderstedt und Bernburg. Mit ihnen warten knapp 200 Angehörige gespannt auf den Beginn der Feierstunde. „Ohne Herrn Rosenhagen hätte es diese Schule nicht gegeben. Er ist die Steigerung von Nichtlockerlassen“, lobt Ingolf Fölsch, Geschäftsführer der Oskar-Kämmer-Schule. Aber auch der Schulträger selbst hat seinen Teil dazu beigetragen, dass in das zwei Jahre verwaiste Schulhaus ab Montag wieder Leben einzieht: Es ist die einzige private Grundschule in ganz Sachsen-Anhalt, die zum neuen Schuljahr eröffnen darf. Auch weil das Konzept im Kultusministerium überzeugt hat. Mit Lehrerin Luise Westphal, frisch von der Uni gekommen, und der pädagogischen Mitarbeiterin Christina Teisner stehen den Erstklässlern zwei junge Frauen zur Seite, ab Februar mit Susanne Lietz als Schulleiterin auch eine erfahrene Pädagogin. Ihren Job übernimmt solange interimsmäßig Frank Faust von der Waldschule Elbenau. In den nächsten Monaten wird ein digitales Klassenzimmer aufgebaut, jedes Kind bekommt einen Computerarbeitsplatz. Wünsche der Eltern, wie die Vergabe von Zensuren, der Transport der Schüler von Haustür zu Haustür, die Essenversorgung und die Hortbetreuung sind berücksichtigt worden. In erster Linie sollen aber grundlegende Dinge gelehrt werden. Wie Rechnen, Lesen, Schreiben. Jasmin ist in der Kita darauf vorbereitet worden. „Sie kann ihren Namen und den ihrer Kita-Freunde schreiben, kennt die Buchstaben und Zahlen“, sagt Mama Melanie.
Während vor der Bühne sieben Mädchen der Karnevalstanzgruppe das Musiktheaterstück vom ängstlichen Löwen, der doch noch ganz mutig wird, aufführen, rutschen die Erstklässler ungeduldig auf ihren Stühlen hin und her. Gleich werden sie ihre Zuckertüten bekommen. Als Jasmins Name aufgerufen wird, stürmt das Mädchen nach vorn. Oben drauf thront das gewünschte Einhorn aus Plüsch, drinnen finden sich Legosteine und Schulutensilien, nichts Süßes. „Davon kriegt sie noch genug geschenkt“, ahnt ihre Mutter.
Nach der Enthüllung des Schulnamensschildes neben dem Eingang dürfen sich die Kinder im Klassenraum erstmal kennen lernen. Namen auswendig lernen, heißt es zunächst. Geduldig übt Luise Westphal mit den Kindern, dann dürfen die Abc-Schützen auf die Plätze mit ihren Namensschildern. Jasmin sitzt ganz vorn, neben ihr Amy-Lynn. Dass es nicht Fynn ist, stört die Sechsjährige längst nicht mehr. Begeistert durchstöbert sie die bereitliegenden Schulbücher, dann geht es nach draußen auf den Schulhof zu den wartenden Familien. Und wie ihre Mitschüler strahlt Jasmin mit der Sonne um die Wette. „Schön“ war die Einschulung, sagt das Mädchen mit den lustigen Zahnlücken, ehe Jasmins großer Tag am Nachmittag im Schloss in familiärer Runde gebührend gefeiert wird.
(mz)