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Ein Rettungseinsatz und seine Folgen Ein Rettungseinsatz und seine Folgen: Ein Notfall wird zum Streitfall

Von Torsten Adam 11.08.2018, 07:57
Bernd Schmidt kritisiert das DRK, dieses weist die Vorwürfe zurück.
Bernd Schmidt kritisiert das DRK, dieses weist die Vorwürfe zurück. pülicher

Bernburg - Als sich Bernd Schmidt an jenem Freitagabend mit dem Fahrrad auf dem Rückweg von seinem Kleingarten nach Hause macht, spürt er einen Schmerz zwischen den Beinen.

Dem 75-jährigen Bernburger schwant eine Nebenhodenentzündung, unter der er bereits zweimal zu leiden hatte.

In der Wohnung angekommen, greift er nach eigenen Angaben zu Kühlakkus - in der Hoffnung, damit übers Wochenende zu kommen, ehe er am Montag seinen Facharzt aufsucht.

Streit um Rettungseinsatz: Notfall oder nicht?

Doch gegen 23 Uhr hält er die Schmerzen nicht mehr aus und wählt die Rufnummer 116 117 - den ärztlichen Bereitschaftsdienst.

„Dort schilderte ich mein Problem. Man wollte mir einen Bereitschaftsarzt schicken, der aber noch in Nienburg im Einsatz war“, erinnert sich Bernd Schmidt.

Gegen 23.55 Uhr treffen Sanitäter ein. „Sie hörten sich mein Problem an und sagten, es wäre kein Notfall“, schildert der Rentner.

Die DRK-Mitarbeiter hätten ihm vermittelt, dass sie bei einem echten Ernstfall nicht helfen könnten, wenn sie ihn transportieren müssten. Denn es stünden nur zwei Krankenwagen zur Verfügung.

„Ich müsste mich daher selbst bemühen, nach Aschersleben zu kommen.“

Was der 75-Jährige dann auch tut.

Streit um Rettungseinsatz: Sofort Hilfe im Ameos

Er setzt sich in sein Auto und steuert die Urologie des dortigen Ameos-Klinikums an. Nach längerem Herumirren findet der Mann die Notaufnahme.

Die Mitarbeiter hätten Unverständnis geäußert, dass er selbst fahren musste. „Ich bekam sofort Infusionen und Antibiotika“, sagt Bernd Schmidt.

Wegen der diagnostizierten akuten Nebenhodenentzündung sei er bis zum Montag stationär aufgenommen worden und dann mit einem Medikationsplan für zu Hause entlassen worden.

Streit um Rettungseinsatz: Kreis zur Prüfung aufgefordert

Der Senior fordert später die Kreisverwaltung zur Prüfung seines Falls auf. „Wieso gibt der Notarzt Anweisungen und die Sanitäter entscheiden anders?“, fragt er.

Laut Verena Benicke, Geschäftsführerin des DRK-Kreisverbands, stellt sich der Fall jedoch anders dar.

Herr Schmidt habe ihre Mitarbeiter mit gepackter Tasche an der Wohnungstür empfangen und wörtlich gesagt: „Na dann können wir ja los.“

Streit um Rettungseinsatz: Erst Diagnostik gefordert

Daraufhin hätten Rettungssanitäter und Rettungsassistent ihn darauf hingewiesen, dass zuvor wie üblich anamnestische Daten erfasst und eine Diagnostik vorgenommen werden müsse.

Dies habe Herr Schmidt letztendlich abgelehnt und die Einsatzkräfte der Wohnung verwiesen. Die DRK-Mitarbeiter hätten den Rentner zuvor darauf hingewiesen, dass es sich aus ihrer Sicht um keinen Notfall handelt, da er ihnen gegenüber angegeben hatte, bereits am Vortag einen leichten Schmerz verspürt zu haben, er aber keinen Facharzt im Verlaufe des Tages aufsuchte.

Als Begründung habe er angegeben, dass ein Taxi zu teuer wäre und er nicht mit dem eigenen Auto fahren wolle, weil „das dann dort so rumstünde“.

Streit um Rettungseinsatz: Akute Entzündung gilt als Notfall

Tatsächlich gilt eine akute Nebenhodenentzündung als urologischer Notfall, wie das Dresdner Uniklinikum auf seiner Internetseite schreibt.

Auch wenn die Sanitäter dies anders einschätzten: „Den Transport ins Krankenhaus haben sie nicht verweigert. So etwas gab es noch nie bei uns. Das würde auch keinen Sinn ergeben, sie waren ja ohnehin da“, stellt Verena Benicke klar.

Streit um Rettungseinsatz: Zahl der Einsätze steigt stetig

Ihr zufolge steige die Zahl der Rettungsdiensteinsätze stetig. Unter anderem deshalb, weil die DRK-Fahrer immer längere Fahrten zurücklegen müssten, um Patienten wie vorgeschrieben in die nächste geeignete Klinik mit freien Kapazitäten zu bringen.

Zum anderen, weil laut einer bundesweiten Statistik ein Drittel der Notrufe keine wirklichen Notfälle seien. (mz)