1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bernburg
  6. >
  7. Die zwei schlagwütigen Schwestern aus Bernburg

Aus dem Gericht Die zwei schlagwütigen Schwestern aus Bernburg

Richter spricht ein halbes Jahr Haft für Haupttäterin aus.

Von Carsten Roloff 12.11.2021, 16:00
Justitia-Statue
Justitia-Statue Foto: Arne Dedert/dpa

Bernburg/MZ - Gewaltdelikte wie schwerer Raub oder Körperverletzung gehen zu über 90 Prozent auf das Konto des „starken Geschlechts“. Aber wer auf diese beiden Schwestern trifft, muss sich warm anziehen. Wenn ihnen etwas nicht in den Kram passt, schlagen sie zu.

Wegen gemeinschaftlich begangener schwerer Körperverletzung saßen die beiden Frauen im Alter von 27 und 28 Jahren in dieser Woche auf der Anklagebank im Amtsgericht Bernburg. Dort erschienen sie jedoch erst mit 45-minütiger Verspätung. Eine der Angeklagten benötigte ein „Taxi“ der Polizei, um im Saal 119 zu erscheinen. Ein Wort der Entschuldigung für die Verspätung kam aber nicht über ihre Lippen.

„Ich wollte nur, dass sie den Lattenrost wieder herausgeben“

Auch nicht gegenüber dem Opfer, das am 7. März 2020 gegen 9.30 Uhr einen Sachverhalt zu klären versuchte. Es ging um einen gestohlenen Lattenrost für ein neu erworbenes Bett. „Ich wollte nur, dass sie den Lattenrost wieder herausgeben. Aber ich wurde sofort beschimpft. Dann kam die jüngere Schwester mit einem Holzknüppel heraus und schlug mich auf den Hinterkopf und das Schulterblatt. Ihre Schwester haute mir einen Besenstiel in die Wade“, schilderte der 48-jährige. Er wohnt im selben Haus in der Bernburger Bergstadt und kam ohne ernsthafte Verletzungen davon. Auch deswegen war der Geschädigte bemüht, den unschönen Zwischenfall nicht aufzubauschen.

Die jüngere Beschuldigte stellte den Sachverhalt etwas anders dar. „Der Mann hat Sturm geklingelt, wollte sich mit Gewalt Eintritt in unsere Wohnung verschaffen. Wir fühlten uns bedroht“, so die Arbeitslose. Aber nicht einmal ihr Verteidiger schenkte dieser Version Glauben und forderte wie der Staatsanwalt eine Haftstrafe von acht Monaten ohne Bewährung für die einschlägig vorbestrafte Frau. Der Verteidiger der älteren Schwester plädierte dagegen auf Freispruch.

Haftstrafe hätte auch höher ausfallen können

Richter André Stelzner sah keine Notwehrlage, zumal die Frauen numerisch in der Überzahl gewesen seien. Er schickte die Haupttäterin für sechs Monate ins Gefängnis und verurteilte ihre ältere Schwester zu einer Geldstrafe in Höhe von 1.350 Euro. Ihre Attacke mit dem Besenstiel bewertete der Jurist als minderschweren Fall. „Die Strafen liegen im unteren Bereich. Es hätte für die eine Frau locker über ein Jahr gehen können“, erklärte der Strafrichter und fügte hinzu: „Wir leben nicht mehr in der Urgesellschaft, als das Recht des Stärkeren galt und die Toleranzschwelle zur Gewalt sehr niedrig lag.“