Bürgernähe in Perfektion
Bernburg/MZ. - Wie die Geschichte von dem legendären Bierdeckelvertrag: Auf einer kleinen Gerstensaft-Unterlage besiegelten im Sommer 2005 Onorato Fiorentini, Chef des italienischen Aluminium-Veredlers Almeco Group, und Rieche während eines feuchtfröhlichen Abendessens die millionenschwere Investition im Gewerbegebiet West in der Saalestadt.
Solch einen Bierdeckelvertrag wird es wohl so schnell nicht wieder geben. Schließlich wird Rieche am Freitag offiziell in den Ruhestand verabschiedet - und das gleich von höchster Stelle des Landes. Ministerpräsident Wolfgang Böhmer hat sich im Rathaus angesagt, um seinen CDU-Parteifreund mit einem Grußwort zu ehren. Das hat sich Rieche, der am 7. Juni 1990 noch zu DDR-Zeiten erstmals gewählt wurde, auch verdient. Schließlich steht er seitdem ununterbrochen an der Spitze der Bernburger Stadtverwaltung. Fast 18 Jahre, das schafft deutschlandweit kaum ein Oberbürgermeister. Zwei Wiederwahlen hat er gewonnen und einen Machtkampf innerhalb seiner Partei, der er trotz aller Querelen seit über 40 Jahren treu ist, schadlos überstanden.
Geholfen hat ihm dabei vor allem eines: seine Volkstümlichkeit und Bürgernähe. Bis Freitag steht Rieche sogar mit der privaten Telefonnummer im "Örtlichen für Bernburg und Umgebung" auf Seite 125. Welches Stadtoberhaupt macht das schon? Doch dem gebürtigen Saalestädter, der sich in der turbulenten Wendezeit für die Kirche am Runden Tisch engagierte, war eben immer ganz besonders wichtig, ansprechbar für die Probleme der Menschen vor Ort zu sein. "Wenn jemand ein Anliegen hat, muss man ihm zuhören", sagt Rieche. Diese goldene Regel hat er meist beherzigt, auch wenn er nicht für alle Probleme eine Lösung hatte.
Doch eingesetzt hat er sich für "seine Bernburger" immer. Ganz besonders wenn es darum ging, Gewerbe anzusiedeln und in der von hoher Arbeitslosigkeit geprägten Region neue Jobs zu schaffen. Dabei ließ er sich auch nicht von fehlende Englischkenntnissen ("Wir mussten in der Schule Russisch lernen.") verunsichern und punktete bei Verhandlungen mit ausländischen Unternehmern äußerst erfolgreich vor allem durch seine Fähigkeit, bürokratische Probleme unbürokratisch lösen zu können.
Ein paar Geheimnisse seines Erfolgsrezeptes hat er seinem Nachfolger Henry Schütze, den er im Wahlkampf unverhohlen unterstützte, mit auf den Weg gegeben. Die Schlüsselübergabe erfolgt am kommenden Freitag, seinem letzten Arbeitstag im Bernburger Rathaus. "Dann bin ich Rentner. Eine komische Vorstellung", sagt Helmut Rieche, der sein Leben lang gearbeitet und dabei nie auf die Feierabenduhr geschaut hat.
Aber langweilig wird ihm im Ruhestand ganz bestimmt nicht. Neben den Orchideen im Gewächshaus warten auch die Handwerksarbeit im Haus und der Campingwagen auf Rieche. Außerdem hat er endlich mehr Zeit für seine Freunde. Für die wird das sicher unterhaltsam: Schließlich hat er viele Anekdoten aus seiner Oberbürgermeisteramtszeit zu erzählen.