Kontaktverbot Wie Selbsthilfegruppen im Salzlandkreis in der Corona-Krise arbeiten: Telefonketten bei Diabetikern und Rheumakranken

Aschersleben - Für Torsten Fischer aus Aschersleben ist im Moment alles anders. Der 57-Jährige erholt sich gerade von einer Krebserkrankung, doch das meint er nicht. Fischer ist stellvertretender Sprecher einer Selbsthilfegruppe für Menschen mit psychischen Erkrankungen. An dieser Erkrankung leidet er schon lange. Er wurde deshalb erwerbsunfähig.
Seit 2007 gehört der EU-Rentner zu den Mitarbeitern der Behindertenwerkstätten der Lebenshilfe. Zwei Jahre später schloss sich Torsten Fischer der Selbsthilfegruppe an. Einmal im Monat trifft sie sich in den Räumlichkeiten der Lebenshilfe. Daneben gibt es regelmäßig Grillabende, Ausflüge, ja sogar gemeinsamen Urlaub.
Doch seit den Ausgangsbeschränkungen der Corona-Krise dürfen sich die Gruppenmitglieder nicht mehr treffen. Auch die Arbeit in den Werkstätten in Hoym und der Hertzstraße in Aschersleben ruht.
„Wegen des Kontaktverbots können sich alle Gruppen nicht treffen“
Die Menschen in den Selbsthilfegruppen geben sich gegenseitig Halt. 79 solcher Gruppen gibt es im Salzlandkreis, sagt Heike Krümmling von der Selbsthilfekontaktstelle des Paritätischen im Salzlandkreis.
Wer krank ist und Hilfe sucht, der findet sie oft in einer dieser Gruppen. Nur derzeit eben nicht. „Wegen des Kontaktverbots können sich alle Gruppen nicht treffen“, bedauert sie. Auch für die Leiter solcher Gruppen ist es schwer, denn sie sind selbst Betroffene.
Die Situation in manchen Gruppen sei schwierig, weil sich die Mitglieder nicht nur einmal im Monat, sondern auch mitunter wöchentlich treffen und die Besuche zum Alltag gehören. „Es ist echt wichtig, dass man sich persönlich gegenüber sitzt. Geteiltes Leid ist halbes Leid“, weiß Heike Krümmling.
Das sei direkte Hilfe am Menschen, die nichts koste, doch sie hilft jedem persönlich. Egal ob es psychische Erkrankungen sind, Osteoporose, Diabeteskranke oder Menschen die gegen ihre Alkoholsucht ankämpfen. In die Öffentlichkeit wagen sich nur wenige der Kranken, in den Gruppen sind sie oft anonym. Doch Heike Krümmling weiß, dass es den Gruppenmitgliedern besser geht, als Menschen, die allein gegen ihre Krankheit kämpfen.
„Wir halten Abstand“, sagt Jürgen Zwingenberg von der Diabetiker-Selbsthilfegruppe
Jürgen Zwingenberg fehlen die Treffen mit der Diabetiker-Selbsthilfegruppe im Seniorenwohnpark Aschersleben auch. Das am Mittwoch, 8. April, geplante Treffen wurde schon Ende März abgesagt und ob sich die rund 20 Mitglieder im Mai dort wieder treffen können steht in den Sternen.
Genauso wie die Treffen mit einer anderen Selbsthilfegruppe. „Wir halten Abstand“, versichert er. Für die Absage hat Jürgen Zwingenberg volles Verständnis. Er hält mit seinen Gruppenmitgliedern telefonisch Kontakt.
Auch die Selbsthilfegruppe der Deutschen Rheuma-Liga musste ihr am Dienstag, 14. April, geplantes monatliches Treffen im Bestehornhaus absagten, berichtet Gruppenmitglied Ute Schrader. „Es geht leider alles nur noch per Telefon.“
Torsten Fischer ist gern in seiner Gruppe. „Da passt einfach alles“, lobt er. Und deshalb engagiert er sich auch. Kontakt halten die Mitglieder in Whatsapp-Gruppen oder per Telefon. Manchmal trifft man sich auch auf der Straße. Aschersleben ist ja nicht so groß. Gerade wer mehrfach behindert ist, bei dem fallen Depressionen noch mehr ins Gewicht.
Dann treffen die Beschränkungen die Menschen doppelt hart. „Was für die gesunden Menschen kleine Probleme sind, das sind für uns riesengroße.“ In der Gruppe wird versucht Wege aufzuzeigen, wie man aus bestimmten Situationen rauskommt.
Gegenwärtig versuchen einige Gruppenmitglieder herauszubekommen, ob die Grundsicherung, die viele bekommen, aufgestockt wird. Denn den Mitarbeitern der Behindertenwerkstätten sei das Taschengeld für die Arbeit dort weggebrochen und das fehlt nun, schildert Fischer. Manche hätten zwar Betreuer, die ihnen beim Ausfüllen von Anträgen helfen, doch andere wiederum nicht. „Die Anträge gibt es ja nicht in leichter Sprache“, beklagt er.
Den Mitarbeitern der Behindertenwerkstätten fehlt das dort verdiente Taschengeld
In seiner Selbsthilfegruppe haben die Mitglieder die verschiedensten psychischen und seelischen Erkrankungen. „Die Gespräche von Angesicht zu Angesicht, die Nähe, die fehlt,“ sagt er. Torsten Fischer weiß, dass es für einen geregelten Alltag auch nach einer möglichen Lockerung von Beschränkungen für ihn noch ein weiter Weg werden könnte.
„Wir gehören sogenannten Risikogruppen an“, weiß er. „Wir werden wahrscheinlich die letzten sein, die wieder raus dürfen.“ Doch zumindest bis dahin genießt er die Sonne bei einem Spaziergang über die Herrenbreite. Allein und mit Abstand zu anderen.
Heike Krümmling steht auch in dieser Zeit als Ansprechpartnerin der Selbsthilfekontaktstelle den Hilfesuchenden zur Verfügung. Sie kann entsprechend der Erkrankungen Kontakte vermitteln. Sie ist von montags bis freitags von 7.30 bis 13.30 Uhr unter Telefon 0340/66 15 81 17 erreichbar. (mz)