Verhandlung in Aschersleben Verhandlung in Aschersleben: Opfer droht nach Überfall Berufsunfähigkeit

Aschersleben/MZ - Humpelnd tritt Klaus S. (alle Namen geändert) in den Zeugenstand des Amtsgerichts in Aschersleben. Gefasst beschreibt er den Tag, der sich zum schlimmsten in seinem Leben entwickelte. Der Mann feierte am Abend des 27. Mai 2012 in einem Bistro in der Stadt seinen neuen Job. Das sei schließlich nicht selbstverständlich mit 58 Jahren, sagt er. Bis dahin stockte der gelernte Schlosser mit Ein-Euro-Jobs seine staatliche Grundsicherung auf. Es war sein Tag, die Freunde freuten sich für ihn. Gemeinsam tranken sie, gemeinsam rauchten sie vor einem Bistro, als das Unfassbare passierte.
Ein Schlag in den Nacken, ein paar Tritte, viel mehr hat Klaus S. nicht gespürt. Dann waren Arme und Beine taub, dann lag er regungslos am Boden. Seitdem ist alles anders für ihn. Anstatt seinem neuen Job nachzugehen, ist er zu einem dauerhaften Fall für das Gesundheitssystem geworden. Monatelang lag der Ascherslebener nach dem brutalen Angriff von Ken J. wegen eines gebrochenen Halswirbels in einem Krankenhaus in Halle, seitdem folgt eine Rehabilitation der nächsten. Am Donnerstag tritt er wieder eine Kur an, derzeit läuft der Antrag auf Berufsunfähigkeit. Die Motorik in der rechten Seite seines Körpers ist gestört. Trotzdem hatte der damals 58-Jährige noch Glück im Unglück. Zwar werden nach ärztlichen Gutachten voraussichtlich Schäden bleiben, der Ascherslebener hätte allerdings auch als Querschnittsgelähmter im Rollstuhl landen können. Dank einer OP entging er diesem Schicksal.
Das Tragische: Klaus S. war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort, er kannte den Täter nicht. Er bekam offenbar den Frust für eine schlecht laufende Beziehung zu spüren. Denn der Angeklagte Ken J. gab an, dass er damals Probleme hatte mit seiner Freundin. Sie sind längst nicht mehr zusammen. Der 28-Jährige hatte nach eigenen Angaben deswegen den ganzen Tag in einer Gartenanlage getrunken - erst Bier, dann Schnaps - bevor er sich abends mit seinem Fahrrad auf den Weg in die Innenstadt machte. Wie stark er betrunken war, wurde am Mittwoch nicht klar. Der Alkoholgehalt im Blut wurde nicht gemessen, da er nach der Tat einfach davonfuhr. Zeugen sagten allerdings, dass sie keine Beeinträchtigungen bemerkt hatten. Ken J. gab die Tat zwar zu, an Details konnte er sich aber nicht erinnern. Er sei angepöbelt worden, gab er als Grund für seinen Ausraster an. Bei der Beweisaufnahme wurde deutlich, dass Freunde von Klaus S. gesagt hatten, dass Ken J. langsamer fahren solle. Das gaben mehrere Zeugen an. Daraufhin kehrte der 28-Jährige um und schlug ohne Vorwarnung auf das Opfer ein. Als Klaus S. am Boden lag, folgten Tritte, ehe Dritte dazwischengingen.
Wer Ken J. im Saal beobachtete, hätte ihm diese brutale Tat nicht zugetraut; zu anständig wirkte er mit seinem sorgfältig gekämmten Haar, seiner randlosen Brille und seinem Pullover mit Hemdkragen. Zu seinem braven Auftritt passte allerdings nicht sein Vorstrafenregister. Zig Mal stand er schon vor dem Amtsrichter, saß unter anderem eine Jugendstrafe ab. Von Sachbeschädigung, Diebstahl bis hin zu Nötigung und Körperverletzung war alles dabei. Der Staatsanwalt kritisierte, dass die Justiz bisher nicht sonderlich hart gewesen sei zu Ken J. „Es wäre besser gewesen, wenn es früher einen Warnschuss gegeben hätte.“ Immerhin: Der Angeklagte bemühte sich, vor Gericht Reue zu zeigen. Er will sich nun ärztlich behandeln lassen.
Richter Robert Schröter verurteilte den Angeklagten wegen schwerer Körperverletzung zu drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis. Er blieb damit knapp unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung forderte für ihren Mandanten dagegen, „ihm noch eine Chance zu geben“. Gegen das Urteil kann noch Berufung eingelegt werden. Bedacht wurde beim Urteilsspruch auch, dass Ken J. im vergangenen Oktober den neuen Lebensgefährten seiner Ex-Freundin in ihrer Wohnung mit einem Faustschlag und mit Fußtritten attackierte. Zuvor hatte er eine Wohnungstür sowie einen Flur beschädigt. Diese Taten wurden ebenfalls verhandelt.