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Stadtgeschichte  Stadtgeschichte in Aschersleben: Betrübnis im jungen Gesicht

Von Kurt Großkreutz 12.06.2018, 10:04
Alfred Buschmann, im Bild rechts, an der Front in Nordfrankreich.
Alfred Buschmann, im Bild rechts, an der Front in Nordfrankreich. Privat

Aschersleben - Im Zusammenhang mit der geplanten Rettung und Restaurierung des Ascherslebener Sportlerdenkmales an der Magdeburger Chaussee/Klopstockstraße, das unbeachtet und überwuchert an die im 1. Weltkrieg gefallenen Fußballer unserer Stadt erinnert, kam es zu einer bemerkenswerten Entdeckung.

Eingeweiht wurde das Denkmal durch die Mitglieder des Fußballvereins FC Ascania Aschersleben 1900, als die Sportler das 30-jährige Bestehen ihres Fußballclubs am 2. Oktober 1930 feierlich begingen.

Man gedachte vor 87 Jahren der 21 Sportfreunde, die im Weltkrieg 1914-18 ums Leben gekommen waren. 101 Fußballer des FC Ascania wurden als Soldaten für das Kaiserreich in den Krieg geschickt, nur 80 kamen zurück. Die Namen der zu Tode gekommenen Sportler konnten bekannt gemacht werden.

Im Falle von Alfred Buschmann (1899 – 1918) gelang es sogar, einen Verwandten in Aschersleben auszumachen, der uns über sein Leben und Sterben informierte. Zum Glück ist Jörg Buschmann als Redakteur für das Radio Harz-Börde Welle (HBW) den Zuhörern bekannt und so lag es auf der Hand, ihn zu befragen, ob eine Verwandtschaft mit dem ehemaligen Fußballer Alfred Buschmann besteht.

Tatsächlich ist es an dem. Es handelt sich um seinen Großonkel und so musste Jörg Buschmann nicht lange gebeten werden und ließ uns einen Einblick in die Familiengeschichte gewähren.

Alfred Buschmann wurde als zweites Kind seiner Eltern Moritz und Therese Buschmann am 29. August 1899 in Aschersleben geboren. Er hatte vier Geschwister. Sein Vater war der Malermeister Moritz Buschmann, dessen Haus dem heutigen Filmpalast am Markt 21 weichen musste.

Es war das Zuhause von Alfred, der zwischen dem Gebäude der Freimaurerloge und der Marktkirche aufwuchs. Bis Ende der 1920er Jahre hatte seine Familie dort ein Malergeschäft.

Als 1930 das moderne Kino der Stadt, der „A.-M.-Palast“ nach seiner Erbauung eröffnet wurde, errichtete Paul Buschmann, der ältere Bruder Alfreds, sein Geschäft als Malermeister Moritz Buschmann und Sohn im Haus Über den Steinen 32, das aber ebenfalls nicht mehr existiert.

Alfred setzte nicht die Malertradition seines Vaters und Großvaters fort, sondern entschloss sich, Lehrer zu werden. Am Lehrerseminar am Holzmarkt in Aschersleben wurde er Student und spielte in seiner Freizeit Fußball im FC Ascania.

Mit ihm mussten viele Kommilitonen und Sportkameraden in den Krieg ziehen. Auf einer seiner Postkarten erzählt der 17-Jährige am 13. August 1917 von seiner Rekrutenzeit im Infanterie Regiment 66 in Altengrabow (heute zu Möckern gehörig). Vom April 1918 ist ein Lebenszeichen von ihm an der Westfront erhalten geblieben.

Mit seiner vielleicht letzten Feldpostkarte schrieb er am 29. April 1918 aus dem Kriegsgebiet an seine Familie: „Erhielt gestern Euren lieben Brief. Es freute mich sehr, von Euch zu hören. Vielleicht komme ich auch bald heim. Auf ein baldiges Wiedersehen. Herzliche Grüße von Alfred.“

Er war nur 18 Jahre alt, als er am 9. Juni 1918 im nordfranzösischen Rollot (Somme) wenige Monate vor Kriegsende (11. November 1918) zu Tode kam. Sein Großneffe Jörg Buschmann erinnert sich, dass man sich in der Familie weitererzählte, er wäre einem Kopfschuss erlegen, als er Telefonleitungen an der Front verlegen sollte. Alfred war ledig und hatte noch vor sich, was man Leben nennt.

Auch ihm war das Sportlerdenkmal des FC Ascania an der Magdeburger Chaussee gewidmet. Sein Name ist außerdem an der Bronzetafel auszumachen, die der Opfern des Lehrerseminars gedenkt und die im Museumshof aufbewahrt wird. Kein Geringerer als Professor Georg Wrba hatte sie nach Plänen des Stadtbaurates Dr. Hans Heckner 1921 geschaffen. Sie war bis 1968 an der Holzmarktschule angebracht.

Schaut man Alfred auf seinen Soldatenbildern ins Gesicht, so kann man nur Betrübnis erkennen, die sich wie eine Last auf ihn gelegt haben muss. Keine stolze Siegerfigur, kein selbstgefälliges Präsentieren einer männlichen Pose im Waffenrock, kein blinkender Orden an der Brust und auch keine Darbietung eines respekteinflößenden Gewehres.

Eine abgewetzte, einfache Uniform war sein Dienstanzug für das ungeliebte mörderische Waffengeschäft. Zeichen von Erschöpfung und Entbehrung sind weniger zu erkennen. So scheint es, dass er bis dahin noch nicht den verheerenden Kämpfen in den berüchtigten Schützengräben ausgesetzt war.

Alfred war nur einer von etwa 1000 Ascherslebenern, die Opfer im 1. Weltkrieg wurden. Nur einer von etwa zwei Millionen deutschen Soldaten, die diesen Krieg nicht überlebten. Und nur einer von 19 Millionen Menschen der 25 kriegsbeteiligten Nationen, die dem Krieg zum Opfer fielen.

Mit der Rettung des Denkmals, die in diesem Jahr in Angriff genommen wird, soll seiner und der anderen Opfer gedacht werden. Am 10. Juni findet ab 15 Uhr ein Benefizkonzert im Grauen Hof in Aschersleben statt. Der Erlös dieses Konzertes soll für die Restaurierung des Denkmals gespendet werden. Alle Interessenten sind herzlich zu der musikalischen Veranstaltung eingeladen. (mz)

Das Haus Markt 21 in einer Ansicht von etwa 1925.
Das Haus Markt 21 in einer Ansicht von etwa 1925.
Privat