Schiess AG in Aschersleben Schiess AG in Aschersleben: Maschinenbauer vor der Insolvenz

Aschersleben/MZ. - Die Stimmung war gedrückt, als sich ein Großteil der 227 Beschäftigten, die meisten im Blaumann, im Versammlungssaal drängte. Was kommen wird, ahnten sie wohl schon. Denn seit Monaten kämpft die Schiess AG ums Überleben - die Auswirkungen der Liquiditätsprobleme haben die meisten Arbeiter und Angestellten im eigenen Portemonnaie gespürt. Viele warten seit drei Monaten auf Lohn oder Gehalt. Die Hoffnungen, die auf einem chinesischen Partner ruhten, haben sich nicht erfüllt, die Chinesen wollen neu verhandeln.
Nitsche versuchte, den Mitarbeitern die finanzielle Situation zu erklären. Ein Sanierungsgutachten habe einen Schuldenstand von 25 Millionen Euro aufgedeckt - darin enthalten seien Verluste aus dem Jahr 2003 in Höhe von 12,8 Millionen Euro. Entstanden seien diese wegen Kosten im Zusammenhang mit der Entwicklung von Prototypen und aufgrund von Umsatzeinbußen in Höhe von etwa 30 Prozent. Sämtliche bei Schiess entwickelten Baureihen seien von Banken über Kredite finanziert worden.
Ohne Insolvenz wäre der Betrieb nur weiterzuführen mit einer deutlichen Entschuldung und mit "frischem Geld", so Detlev Kiel, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Schönebeck und Mitglied des Aufsichtsrates. Dies würde bedeuten, dass 90 Prozent aller Gläubiger auf ihre Ansprüche verzichten müssten. Dies sei unrealistisch, und ein Bankengespräch am Freitag in Magdeburg habe gezeigt, dass die Geldinstitute nicht auf ihre Forderungen verzichten werden.
Die Insolvenz müsse nicht "als Ende, sondern als neuer Anfang" begriffen werden, rief Kiel den Kollegen zu und meinte, dass Schiess über "gute Leute, ein gutes Produkt, über einen bekannten Namen und einen Markt" verfüge. Die Älteren unter den Anwesenden erinnerte er daran, dass die Firma 1996 schon einmal vor einer ähnlichen Situation gestanden und mit reiner Lohnfertigung neu begonnen habe. "Inzwischen haben wir wieder ein gefragtes Produkt. Der neue Verwalter wird dafür sorgen, dass das Insolvenzausfallgeld gezahlt wird und ein Sanierungskonzept erarbeiten" so Kiel.
Die versammelte Belegschaft schien wie gelähmt. Kaum Murren, kein Aufbegehren. Zu tief sitzt wohl die Angst, bei absehbaren Entlassungen als einer der Ersten auf der Straße zu stehen. Nur einer fragte kritisch nach: Der Berg Schulden sei doch nicht von heute auf morgen entstanden. Da seien doch sicher auch Fehler gemacht worden!? Von Fehlern könne man "niemanden freisprechen. Vom Kleinsten bis zum Größten nicht", so Nitsche. Den Vorgängern könne man nur einen Teil der Schulden anlasten. "Wären die nicht gewesen, würde es Schiess heute nicht mehr geben", so Nitsche in einem Gespräch am Rande.
Nach der Versammlung war zu erfahren, dass die Belegschaft den Optimismus nicht teilt. "Ich bezweifle, dass jemand dem Betrieb auch nur eine müde Mark gibt", sagte einer. In der Fertigungsabteilung mit 85 Beschäftigten geht dazu die Befürchtung um, dass "an uns kein Interesse mehr besteht". Hat man die Belegschaft vielleicht zu lange im Unklaren gelassen? Denn am 3. Mai habe es schon einmal eine Versammlung gegeben - Tenor: Alles wird gut.