Radierungen entlang der Stadtmauer Radierungen entlang der Stadtmauer: Auch Wiederholungstäter sind dabei

Aschersleben - „Ich weiß nicht, ob die Ascherslebener Stadtmauer überhaupt schon einmal komplett durchgezeichnet wurde - wenn nicht, dann machen wir das gerade“, sagt Sven Großkreutz und umschreibt damit gleich das Thema der diesjährigen Grafiktage der Grafikstiftung Neo Rauch.
Obwohl - offiziell heiß das Programm 2020 „Natur findet Stadt“. Als freischaffender Künstler leitet der in Aschersleben aufgewachsene Großkreutz nicht zum ersten Mal die Teilnehmer der Ascherslebener Grafiktage an.
Angebot fürs ganze Land
Seit Montag - bis zum kommenden Dienstag - probieren sich 30 kunstinteressierte Jungen und Mädchen in jeweils Zwei-Tage-Kursen an der um 1500 erfundenen Drucktechnik der Radierung aus. „Dabei gehen sie auf Spurensuche, erkunden architektonische Kleinode oder typische Landschaften, die das Ascherslebener Stadt- und Naturbild prägen“, erklärt die Mitarbeiterin der Grafikstiftung Neo Rauch, Ann-Sophie Parker.
Die Teilnehmer kommen aus ganz Sachsen-Anhalt. Einige sind sogar Wiederholungstäter und waren bereits in den vergangenen Jahren mit von der Partie.
„Hier kann man nicht nur vieles dazulernen“
So wie Pauline Müller, die in Staßfurt das Gymnasium besucht und zum vierten Mal dabei ist. Sie sei damals von ihrem Kunstlehrer auf das Projekt „Grafiktage“ aufmerksam gemacht worden, erzählt die 17-Jährige. Schnell habe sich gezeigt, dass der Tipp ein Volltreffer war.
„Hier kann man nicht nur vieles dazulernen, sondern trifft auch andere, mit denen man sich austauschen kann. Und die Gruppen sind immer nett“, sagt die Staßfurterin, während sie die vor ihr liegende metallene Druckplatte betrachtet. Das darauf eingeritzte Motiv zeigt das Ascherslebener Rondell. Entstanden ist es direkt vor Ort. Ohne Vorzeichnung.
Jetzt - in der Druckwerkstatt - ist die Gelegenheit, an der einen oder anderen Stelle noch einmal nachzuarbeiten, bevor die Radierung unter die Druckwalze gelegt und das Werk aufs Papier gebracht wird. Zunächst als Probe-, dann als Feindruck. Als erfahrene Teilnehmerin an den Grafiktagen, weiß Pauline Müller, dass es Zeit braucht, um seine Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Aber es sei schön, wenn die Fortschritte sichtbar werden.
Währenddessen nimmt sich Kursleiter Sven Großkreutz viel Zeit, um jede Arbeit der jungen Künstler genau zu begutachten. Er gibt Tipps und Hinweise zur Gestaltung der Motive und zur Handhabung der Radiernadel. Ihm falle auf, dass es sich gerade um eine sehr starke Gruppe handele, die er hier anleite. Und wenn so viele talentierte junge Menschen dabei sind, dann mache auch ihm die Arbeit ganz besonders viel Spaß, so Sven Großkreutz, der auch außerhalb der Grafiktage die Druckwerkstatt im Bildungszentrum Bestehornpark leitet und dafür regelmäßig von Halle nach Aschersleben pendelt.
Keine Regel ohne Ausnahme
Wenn sich das Angebot der Grafiktage an Schüler des Landes Sachsen-Anhalt richtet, dann gibt es auch mal die berühmte Ausnahme. Und die ist Lydia Bieleš aus dem thüringischen Ort Rothesütte bei Nordhausen. Als sie vor zwei Jahren mit ihrer Mutter und deren Freundin auf Sightseeing Tour in der hiesigen Region unterwegs war, habe sie die Freundin der Mutter auf das Angebot aufmerksam gemacht, erzählt die 17-jährige Gymnasiastin.
Auch wenn es bei der ersten Bewerbung im vergangenen Jahr noch nicht geklappt hat - diesmal ist sie dabei. Und ist begeistert.
Beim Rundgang durch die Promenaden habe es ihr der halbe Turm an einem Privatparkplatz an der Eine-Brücke hinter der Gaststätte Zum Schwejk angetan. Zwei Stunden habe sie dort gearbeitet, hinterher ungefähr vier weitere Stunden in der Werkstatt. Eines der fertigen Blätter will Lydia Bieleš der Freundin ihrer Mutter schenken. „Als Dankeschön für den Hinweis auf die Ascherslebener Grafiktage.“
Bewerbungen als Kompliment
„Wenn die Bewerbungen inzwischen aus vielen Landesteilen von Sachsen-Anhalt - und sogar darüber hinaus - eingehen, dann nehmen wir das natürlich als Kompliment“, sagt Grafikstiftung-Mitarbeiterin Ann-Sophie Parker. Aber auch in Zukunft werden die Ausschreibungen für die Grafiktage - die sich an Schüler im Alter von 13 bis 18 Jahre richten - ausschließlich an Schulen in Sachsen-Anhalt verschickt.
Informationen zum Projekt sind unter anderem aber auch auf dem Landesbildungsserver des Landes Sachsen-Anhalt veröffentlicht und auf der eigenen Internetseite www.grafikstiftungneorauch.de nachzulesen. Interessenten können sich außerdem selbstständig für eine Teilnahme am Projekt anmelden. Bis auf die individuelle Anreise werden für die Teilnehmer keinerlei Kosten fällig.
Übrigens - auch Kursleiter Sven Großkreutz entdeckt immer noch Neues in der Stadt seiner Kindheit und Jugend. Am Dienstag habe er tatsächlich zum ersten Mal, gemeinsam mit der Projektgruppe, die Ascherslebener Altstadt entlang der Promenade und Stadtmauer in einem Stück komplett umrundet. (mz)

