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Prozess Prozess: Anwalt verzockte Geld seiner Mandanten

Von Hendrik Kranert 01.09.2002, 13:59

Quedlinburg/MZ. - Kerstin E. hatte es irgendwie geahnt. Sicher war sie sich jedoch, als eine Kundin zu ihr ins Geschäft kam. "Völlig aufgelöst", erinnert sich die 41-jährige Quedlinburgerin, erzählte die Dame von den Schulden, die Rechtsanwalt Bernd W. seit Monaten bei ihr habe.

Ein Anruf beim Notar bringt schnell Gewissheit: Die 50 000 Mark, die Kerstin E. eben jenem Quedlinburger Anwalt aushändigte, kamen nie im Notariat an. Bernd W. tat das, was er wohl immer tat, wenn er Bares zwischen den Fingern hatte - er setzte sich in seinen Audi und fuhr nach Braunschweig oder Magdeburg in die Spielbank. Und verzockte das Geld seiner Mandanten. Mindestens 814 000 Mark, so der Vorwurf der Halberstädter Staatsanwaltschaft, soll der 41-jährige Bernd W. zwischen 1997 und 2000 am Roulettetisch verspielt habe.

Vermutlich liegt die Schadenssumme aber über einer Million Mark. Geld, dass er als Nachlassverwalter, Kontenauflöser oder in irgendeiner anderen, treuhänderischen Funktion, wie es Anwälte so viele haben, verwahren sollte. Am Dienstag beginnt vor dem Magdeburger Landgericht der Prozess gegen Bernd W. - selbst für dortige Verhältnisse ein bedeutendes Verfahren, wie Sprecher Dieter Magalowski erklärte. Verhandelt werden 22 Fälle von Betrug und 25 Fälle von Untreue, es sind 58 Zeugen und ein Sachverständiger geladen. In mindestens 47 Fällen hätte Bernd W. seine Mandanten in den sprichwörtlichen Ruin getrieben. Bislang wurden zehn Verhandlungstage angesetzt, in denen das Gericht anhand eines Gutachtens auch beurteilen muss, ob Bernd W. spielsüchtig ist.

Bei einer Verurteilung drohen dem in Hameln lebenden Angeklagten nach Einschätzung Magalowskis fünf bis sieben Jahre Haft und darüber hinaus etwa fünf Jahre Berufsverbot. Den zahlreichen Mandanten, die von W. teilweise um ihr gesamtes Vermögen, ja sogar um ihre Existenz gebracht wurden, wird dies wenig nützen. Zwar läuft parallel im Strafprozess ein so genanntes Adhäsionsverfahren zur Durchsetzung der zivilen Ansprüche, doch Bernd W. gilt als mittellos, er wird von einem Pflichtverteidiger vertreten. "Das Geld ist weg", erklärte Oberstaatsanwalt Hubert Böning, der auch nicht daran glaubt, dass irgendwo noch etwas auftauchen wird. Alle Konten des Rechtsanwaltes, der dem Entzug seiner anwaltschaftlichen Zulassung mit deren freiwilligen Rückgabe zuvor kam, waren leer.

Kerstin E. und ihr Anwalt Thomas Tschammer, der einen Pool von 16 Geschädigten vertritt, sind der Meinung, dass es soweit nicht hätte kommen müssen. Sowohl die Anwaltskammer Sachsen-Anhalt, als auch Kollegen und Banken hätten "mindestens ein halbes bis drei- viertel Jahr gewusst", dass W. nicht nur sein, sondern auch fremdes Geld verspielte und faktisch Pleite war, so Tschammer. Selbst die EC-Karte war bereits gesperrt.

Um einer drohenden Zwangsvollstreckung zuvor zu kommen, hatte er bereits 1999 Mandanten aufgefordert, 30 000 Mark auf sein Geschäftskonto einzuzahlen. Geld, dass Bernd W. aber für sich verbrauchte und seine Außenstände wiederum mit dem Geld anderer Kunden beglich. Ein erstes Betrugsverfahren sollte bereits im November 2000 beginnen. Doch dazu kam es nicht mehr - Bernd W. saß bereits in Haft. "Die Staatsanwaltschaft hat sich direkt gefreut, als wir mit der Strafanzeigen kamen", erinnert sich Tschammer.