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Polizei kontrolliert sich selbst  Polizei in Aschersleben: Das große Pusten

Von Uwe Kraus 26.11.2016, 08:00
Vereidigung der Polizeianwärter in der Stephanikirche in Aschersleben Ende September
Vereidigung der Polizeianwärter in der Stephanikirche in Aschersleben Ende September dpa-Zentralbild

Aschersleben - Ruhestörender Lärm? Wenn Ascherslebenern deswegen der Kragen platzt, rufen sie die Polizei. Doch die war am Mittwoch bereits vor Ort. Herbeigeeilte Beamte des Polizeireviers Salzlandkreis trafen in der Oberstraße auf - den Polizei-Nachwuchs. Verursacher des Krachs waren am späten Abend Auszubildende und Studenten der Fachhochschule Polizei. Sie feierten eine Party, die sie auch nach Anwohnerbeschwerden unbeeindruckt fortsetzten.

Anrufe von Ascherslebenern gab es nicht zum ersten Mal

Der Pressesprecher der Bildungseinrichtung, Martin Zimmermann, bestätigte am Freitag auf MZ-Anfrage diesen Vorfall. „Leider gab es die Anrufe besorgter Bürger nicht zum ersten Mal. Seit der Herbsteinstellung wiederholten sich die Anrufe.“ Jedoch habe die Hochschulleitung bereits nach der ersten Beschwerde darauf reagiert.

„Allen Studien- und Ausbildungsgruppen haben wir deutlich gemacht, dass wir alle uns möglichen Konsequenzen ziehen werden, wenn das erforderlich wird.“ Das habe die Hochschulleitung auch in einem Protokoll festgehalten.

Ansehen der Fachhochschule in Aschersleben soll nicht leiden

Erst am Dienstag sei den Sprechern der Studien- und Ausbildungsgruppen nochmals klargemacht worden, dass es ihr Dienstherr nicht auf sich beruhen lässt, wenn das Ansehen der Fachhochschule Polizei und der Polizei des Landes beeinträchtigt werde. Einen Tag später geschah dies jedoch erneut. „Durch wenige junge Leute, aber das sehr massiv“, bestätigte der Sprecher der Bildungseinrichtung.

„Diese Auszubildenden und Studenten ziehen nicht nur das Ansehen ihrer 630 Mitstreiter, sondern das der 5.600 Vollzugsbeamten Sachsen-Anhalts in den Schmutz.“ Nach deren Alkoholexzessen vom Mittwochabend zog die Polizeiführung postwendend die angekündigten Konsequenzen. Am Donnerstag soll „das große Pusten“ an der Fachhochschule angesagt gewesen sein.

Kontrollen waren freiwillig, acht davon positiv

„Es gab an unserer Einrichtung keine willkürlichen und flächendeckenden Alkoholkontrollen“, dementiert Martin Zimmermann Medienberichte. „In genau den betroffenen Studien- und Ausbildungsgruppen haben wir Kontrollen angekündigt und sie auf der Basis der Freiwilligkeit auch durchgeführt.“

Das Ergebnis: „Leider trafen wir acht Studenten alkoholisiert an. Restalkoholwerte teilweise über einem Promille können und wollen wir nicht tolerieren.“ Dazu käme, dass immerhin neun zukünftige Polizisten am Donnerstag nicht im Dienst angetroffen wurden. Die Hochschulleitung macht klar: „Hier gilt nicht nur die Wohlverhaltenspflicht gegenüber dem Dienstherren. Wir haben auch die Obhutspflicht. Noch dazu, wenn Auszubildende noch minderjährig sind.“

Disziplinarmaßnahmen für Polizeianwärter in Aschersleben

So leitet nun die Polizeiführung Disziplinarmaßnahmen gegen beteiligte Polizeianwärter ein. Zudem wurde durch das zuständige Polizeirevier geprüft, ob sich der Verdacht bestätigt, dass zwei restalkoholisierte Studenten mit Autos zum Dienst fuhren. Freitagmittag hieß es von der Polizei jedoch, dass dabei bisher keine strafrechtlich relevante Verstöße festgestellt wurden.

Derzeit wird geprüft, ob die auffällig gewordenen Studenten, die in einer Wohngemeinschaft in der Oberstraße leben, die nötige charakterliche Eignung besitzen, um künftig als Vollzugsbeamte zu wirken.

Dazu gab es bereits eine Telefonkonferenz mit dem Ministerium für Inneres und Sport. Der dortige Abteilungsleiter Öffentliche Sicherheit und Ordnung, Karl-Heinz Willberg, stellte sich dabei hinter die Maßnahmen der Fachhochschulleitung. Die sagt sehr deutlich, dass sie sich für das ungebührende Verhalten der Polizeischüler bei den betroffenen Bürgern entschuldigt.

Unterstützung von der Polizeigewerkschaft

Auch Uwe Petermann, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, sichert dem Rektor der Fachhochschule bei der Aufklärung der Vorfälle „volle Unterstützung“ zu. „Das muss untersucht werden und die Beteiligten müssen am Ende zur Rechenschaft gezogen werden.“

Über das nach seinen Informationen etwas ausufernde Vorgehen bei den Untersuchungen in den Polizeianfänger-Klassen, werde er mit dem Rektor im persönlichen Gespräch streiten. „Als Polizist sage ich, da gehen wir sonst professioneller vor.“

Derartige Vorkommnisse, an denen Polizeianwärter beteiligt waren, ereigneten sich in Mitteldeutschland bereits mehrfach. So haben im benachbarten Thüringen zwei Polizeianwärter nach einer zum Besäufnis ausufernden Feier im Bildungszentrum der Polizei Meiningen am 20. Oktober ihren Dienst quittiert.

Zuvor war im Januar 2015 ein Polizeischüler nach einer Trunkenheitsfahrt mit einem Polizeiauto, die in der Polizeischule ihren Ausgangspunkt hatte, aus dem Polizeidienst entlassen worden. (mz)