MZ-TV in Aschersleben MZ-TV in Aschersleben: Lokalredaktion produziert seit vier Jahren Videos

Aschersleben/MZ - Rauch quillt aus dem Fenster im ersten Obergeschoss. Die Straße ist gesperrt. Blaulicht. Schläuche werden verlegt. Videobilder, die für sich sprechen - müssen. 25 Sekunden. Ton gibt es nicht.
Vier Jahre ist der Wohnungsbrand in der Kreuzstraße in Aschersleben nun schon her. Und genauso lange liegt die Geburtsstunde von MZ-TV Aschersleben zurück. Für MZ-Fotograf Frank Gehrmann war das damals ein Sprung ins kalte Wasser. Ins eiskalte. Denn nur wenige Stunden, bevor das Feuer ausbrach, erfuhr der Fotograf, dass er bei einem Pilotprojekt mitmachen wird: Künftig sollte Gehrmann auch Videos drehen, um die Nachrichten im Digitalangebot der Zeitung zu erweitern. „Damals war ich ziemlich aufgeregt. Dass alles so schnell gehen wird, hatte ich nicht geahnt. Zeit zum Überlegen blieb da wenig. Deswegen habe ich erst einmal möglichst viele bewegte Bilder gesammelt“, so der Fotograf heute.
Der Regisseur ist ein Autodidakt
Diese zaghaften Anfänge sind nun Geschichte. So hat sich der 47-Jährige informiert, was alles geht und technisch aufgerüstet. Seit seinem dritten Video ist er nun Kameramann, Tontechniker, Cutter und Sprecher in einem. Und das, ohne je eine Schulung besucht zu haben. Während sich der Autodidakt das „Wie“ peu à peu erarbeitete, stand das „Was“ von Beginn an außer Frage: „Einfache klare Bilder sollen für sich sprechen. Keine Schwenks, keine Effekte“, erklärt er, „je mehr du von diesen sogenannten Schnittbildern hast, desto besser ist es am Ende für das Video.“
Seit dem letzten Schultag der Stephaneer, der unter dem Motto „GruselkABInett - das Grauen hat kein Ende“ stand, werden in den Videos zum Thema passende Mikrofone verwendet. So kamen beispielsweise schon ein Knochen, eine Eistüte, ein Riesenstreichholz oder eine Trillerpfeife zum Einsatz.
Da beim Videodreh nicht immer alles glatt läuft, entstehen häufig komische oder teilweise groteske Situationen, welche später nur in seltenen Fällen verwendet werden können:
Vom Versprecher über den Stolperer bis hin zum Lachanfall ist das Spektrum dieser sogenannten Outtakes groß.
Einen Haken hat die Sache dann aber doch: „Am Ende sitzt man vor einem Riesenwust an Filmschnipseln und muss von 60 auf 15 bis 20 reduzieren. Denn es ist die Kürze, die die Leute animiert, das Video zu gucken. Aber ich habe lieber 20 Schnittbilder mehr als zehn, die nicht zusammenpassen.“ Zusammenpassen müssen sie, denn Gehrmann will mit seinen Videos vor allem eins: „Die Bilder nicht nur laufen lassen, sondern Geschichten erzählen.“ Manchmal auch mit einem Augenzwinkern. Sofern es die Situation zulässt. Denn es sind nicht nur die „schönen“ Videos, die die Leute sehen wollen - von Stadtfesten und Jubelfeiern. „Was immer geklickt wird, sind Katastrophen und Unfälle.“ Da erreiche so ein Video schon mal mehrere Zehntausend Nutzer. „Die Leute kommen nicht bis ran.“ Der Mann mit der Kamera schon.
"Informieren, ohne die Pietätsgrenzen zu überschreiten"
Und sein Job ist es „zu informieren, ohne die Pietätsgrenzen zu überschreiten“, erklärt er, „dabei gelten dieselben Prämissen wie bei einem nachrichtlichen Foto. Es muss die W-Fragen beantworten“; also zeigen, was wo passiert. „Und wenn man das einmal intus hat, kann man auch bei der BBC landen“, so Gehrmann, der es mit seinem Videomaterial zum Decken-Einsturz im Londoner Apollo Theatre ins britische Fernsehen geschafft hat. „Und ab da hört's auf mit der Semiprofessionalität. Das Grundmaterial ist professionell.“ Inzwischen stehen etwa 180 Videos unterm Strich - und Gehrmann längst auch vor der Kamera.
Einmal - vor etwa einem Jahr - war er dabei sogar mit „baade Baane in de Aane“. „Ich wollte sehen, wie es sich technisch umsetzen lässt und beim Betrachter ankommt“, erklärt er. Es war das erste Video, in dem er selfie-like vor der Linse agierte. Das funktioniere zwar nicht immer, aber immer öfter. Wie die jüngsten Videos zeigen. Darin ist er nicht allein zu sehen, sondern mit Kristina Hammermann, die gerade ein Praktikum in der Lokalredaktion absolviert. Vor ihrem ersten gemeinsamen Auftritt zum Nacktrodeln in Cochstedt zogen die beiden tagelang plaudernd durch Ascherslebens Promenaden, die Kamera auf sich gerichtet. „Immer wieder haben uns Leute fragend angeguckt oder auch mal angesprochen, was wir da machen“, schmunzelt die 22-Jährige, „ ...die Themen waren uns dabei völlig egal. Wir haben improvisiert und dabei auch viel Stuss erzählt.“
"Darüber lächeln wir nur"
Doch die vermeintliche Blödelei habe einen tieferen Sinn gehabt, so Gehrmann. Das Ganze diente beiden dazu, sich ihrer Wirkung vor der Kamera bewusst, aber auch lockerer zu werden und Sicherheit zu gewinnen. Konzepte gebe es zwar, die gingen aber nicht immer auf. Neben einer gewissen Grundroutine sei daher Flexibilität und Spontanität unentbehrlich. So kommt es auch schon mal vor, dass jemand ungebeten ins Bild springt... „Darüber lächeln wir nur und bauen so etwas dann sogar gern mit ins Video ein“, so Hammermann.
Doch lohnt der ganze Aufwand überhaupt? Ja, findet Gero Hirschelmann, Leiter der Digitalen Redaktion bei der Mitteldeutschen Zeitung. „Es gibt nur wenige Redaktionen, die bewegte Bilder im Lokalen haben“, sagt er. Vor allem regelmäßig. Bei der MZ treffe das nur auf Aschersleben und Halle zu. Auf Youtube erreichen die Videos im Schnitt zwischen 500 und 2.000 Nutzer.
„Und abgesehen von den ganzen Klicks macht so ein Dreh auch noch echt Spaß“, sind sich Gehrmann und Hammermann einig.
