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MZ-Serie "Im Dienst": MZ-Serie "Im Dienst":: Unterwegs mit Ascherslebens einziger Fahrlehrerin

Von Elisabeth Krafft 15.06.2016, 16:16
Melanie Keil ist die einzige Fahrlehrerin in Aschersleben. Nach eigenen Angaben hatte sie schon immer „Benzin im Blut“.
Melanie Keil ist die einzige Fahrlehrerin in Aschersleben. Nach eigenen Angaben hatte sie schon immer „Benzin im Blut“. Frank Gehrmann

Aschersleben - Jenny gibt Gas, sucht den Schleifpunkt des silbernen Ford Focus, der kurz darauf mit einem Ruck anfährt - die 28-Jährige hat die Kupplung zu schnell losgelassen und seufzt enttäuscht. „Macht doch nichts Jenny, du musst erst mal wieder reinkommen. Wir versuchen es gleich noch einmal. Atme einmal tief durch und gib diesmal einfach langsamer Gas“, sagt Melanie Keil.

Mit gerade einmal 21 Jahren hat die 37-Jährige ihre Ausbildung zur Fahrlehrerin abgeschlossen und begonnen, im Unternehmen ihres Vaters - der Aschersleber „Fahrschule Keil“- zu arbeiten. „Ich war so jung, dass ich Jugendlichen das Fahren beigebracht habe, die vorher ein paar Klassen unter mir auf die gleiche Schule gegangen sind“, sagt sie und lacht beim Gedanken daran.

Seither hat sie weit über 240 Fahrschüler ausgebildet. Dass sie später in der Fahrschule ihrer Familie arbeiten würde, habe für sie schon immer festgestanden. Denn die 37-Jährige hat Benzin im Blut, wie sie selbst sagt. Bereits als Teenager sei sie „motorenverrückt“ gewesen, sei zuerst Moped, dann Motorrad und später auch Motocross gefahren.

Dank ihrer Berufswahl ist Melanie in Aschersleben etwas ganz Besonderes, denn sie ist die einzige Fahrlehrerin der Stadt. Warum es nur wenige Frauen in den Job zieht, darüber kann die Ascherslebenerin nur spekulieren. „Auch bei Schulungen treffe ich hauptsächlich Männer. Viele Frauen sind vielleicht schlichtweg zu klein, um neben dem Auto- auch den Motorradführerschein anbieten zu können und lassen es deshalb ganz bleiben.“

Fahrschülerin Jenny hat ihre Unsicherheit beim Anfahren mittlerweile überwunden und fährt ihre erste Runde durch die Aschersleber Innenstadt. Vor zwei Jahren hatte sie bereits fünf Fahrstunden bei Melanie genommen, aus familiären Gründen jedoch eine lange Pause einlegen müssen. „Man kommt schnell wieder rein und Melanie ist sehr geduldig und verständnisvoll“, sagt sie, während sie noch etwas langsam um eine Ecke biegt.

„Man darf keinen Druck aufbauen"

Die wichtigsten Voraussetzungen, um ein guter Fahrlehrer zu werden? „Ganz klar: Geduld haben und die Nerven behalten“, sagt Melanie. Die theoretische Fahrlehrerausbildung beinhaltet neben rechtlichen Grundlagen zu Fahrphysik und Fahrzeugtechnik deshalb auch einen pädagogischen Teil. „Es ist wichtig, dass man mit seinen Schülern mitfühlt.

Man darf keinen Druck aufbauen, sondern muss dabei helfen, dass sie ihre Angst unter Kontrolle bekommen.“ Dabei fiebert Melanie oft selbst mit, Herzrasen inklusive - besonders dann, wenn ihre Schützlinge Prüfungen bestreiten. Dann müsse sie sich selbst daran erinnern, tief durchzuatmen.

Doch auch wenn die Ascherslebenerin die Prüfungen zum Bestehen ihrer Fahrlehrerausbildung schon längst hinter sich hat, kann sie sich nicht einfach zurücklehnen. Um auf dem Stand der Dinge zu bleiben, was beispielsweise Technik und Recht betrifft, muss sie spätestens alle vier Jahre an verschiedenen Fortbildungen teilnehmen. Denn das Berufsbild wandelt sich stetig und damit auch die Anforderungen an die Fahrlehrer. „Schüler üben die Prüfungsfragen mittlerweile zum Beispiel nicht mehr mit Fragebögen aus Papier, sondern online am Tablet oder per App auf dem Smartphone.“

Ihre Fortschritte und Ergebnisse kann Melanie über ihren Computer einsehen. Nur die Fahrschüler, die in allen 14 Theorieteilen sicher sind, meldet die Ascherslebenerin zur theoretischen Prüfung an, die mittlerweile auch digital abgelegt wird.

Auch Jenny hat ihre Theorieprüfung noch vor sich und ihr Tablet deshalb immer dabei. So könne sie selbst auf dem Weg zur Arbeit lernen, ohne einen Berg Papier mit sich herumschleppen zu müssen. Die digitale Lernmethode käme bei den Fahrschülern gut an - das zeige sich auch beim Ablegen der theoretischen Prüfung. Während viele sachsen-anhaltische Fahrschüler mit dem Test auf Kriegsfuß stehen, schneiden Melanies Schüler im Vergleich deutlich besser ab: 2015 haben gerade einmal 19 Prozent aller Fahrschüler der „Fahrschule Keil“ ihre theoretische Prüfung beim ersten Versuch nicht bestanden - landesweit waren es dagegen 43,2 Prozent. Ähnlich sieht es auch bei den praktischen Prüfungen aus.

Wie lange Fahrschüler brauchen, um am Ende ihren Führerschein in den Händen zu halten, sei jedoch ganz unterschiedlich. Manche seien erst nach zwei Jahren so weit, weil sie zum Beispiel nur unregelmäßig Fahrstunden nehmen, andere würden die Prüfungen binnen weniger Wochen schaffen.

Vor einigen Jahren hatte Melanie Keil sogar mal einen Fahrschüler, der gerade einmal zwei Wochen gebraucht hatte. „In dieser Zeit war er aber auch mein einziger Fahrschüler. Ich habe mich nur auf ihn konzentriert, wir haben im Akkord gearbeitet und er hat ordentlich mitgezogen.“ Eine absolute Ausnahme, wie die 37-Jährige betont.

In wenigen Jahren will Melanies Vater in Rente gehen. Dann soll sie das Familienunternehmen weiterführen. Alleine schaffe sie das aber nicht und suche deshalb Nachwuchs. „Am liebsten wäre mir natürlich weibliche Unterstützung“, sagt sie und zwinkert.

(mz)

Bevor die Fahrt losgehen kann, muss MZ-Mitarbeiterin Elisabeth Krafft Spiegel und Sitz  des Fahrschulautos einstellen, rechts Fahrlehrerin Melanie Keil.
Bevor die Fahrt losgehen kann, muss MZ-Mitarbeiterin Elisabeth Krafft Spiegel und Sitz  des Fahrschulautos einstellen, rechts Fahrlehrerin Melanie Keil.
Frank Gehrmann