Lungenklinik Ballenstedt Lungenklinik Ballenstedt: Ein Stück des Wegs begleiten
Ballenstedt/MZ. - "Wir bauen ein Haus auf, Stein für Stein und haben zuerst das Fundament geschaffen", sagt Jörg-Friedemann Fischer. Der Mediziner nutzt diesen Vergleich, wenn er über den Aufbau der palliativmedizinischen Station in der Lungenklinik Ballenstedt spricht. Dr. Jörg-Friedemann Fischer ist Chefarzt der Einrichtung und hat gemeinsam mit seinem Team die erste Station dieser Art im Landkreis Quedlinburg initiiert.
Palliativmedizin ist die Lehre und Behandlung von Menschen mit einer nicht mehr heilbaren Erkrankung und begrenzter Lebenserwartung. So formuliert es der Arzt allerdings nicht, wenn er über diesen Zweig der Medizin spricht. Er findet wärmere Worte und ein Gedicht von Angela Sattler, um auszudrücken, was diese Station will: "Du frierst; und viele werden sagen, es ist nicht kalt./Du hast Angst; und viele werden sagen, hab nur Mut./Du bist allein; und viele werden sagen: Jetzt keine Zeit./ Doch manchmal ist da jemand, der sagt: Nimm meinen Mantel und meine Hand und lass mich Dich ein Stück begleiten./Jetzt."
Palliativmedizin will ein Sterben in Würde ermöglichen und versteht sich als aktive Lebenshilfe für Schwerkranke in der letzten Phase ihres Lebens. Diese Patienten brauchen neben einer medizinischen Versorgung vor allem eines: eine intensive menschliche Betreuung.
Der Chefarzt sieht auf dem Gebiet der Palliativmedizin noch große Defizite. Nach Einschätzung von Fachgremien werden 33 bis 50 palliativmedizinische Betten pro eine Million Einwohner gebraucht, derzeit sind es aber nur sieben. Zu oft setzt Palliativmedizin erst ein, wenn die kurative Medizin am Ende ist, anstatt den gesamten therapeutischen Prozess von Anfang an zu begleiten.
Für Oberärztin Dr. Annegret Wuth, die den Aufbau der Station leitet, steht "das Wohlbefinden des Patienten im Vordergrund". Und das bedeutet zuerst: Linderung der Schmerzen. Eine gezielte Schmerztherapie und weitere Maßnahmen sollen es ermöglichen, dass der kranke Mensch - nach Möglichkeit - in seiner vertrauten häuslichen Umgebung bleibt. Denn der Wunsch, nicht im Krankenhaus zu sterben, besteht bei vielen unheilbar Kranken. In der Realität sieht dies jedoch anders aus.
Palliativmedizin heißt aber nicht nur Schmerzbekämpfung. "Wir sehen den Menschen ganzheitlich", sagt Annegret Wuth. Also nicht nur ärztliches Handeln, sondern das Zusammenwirken eines ganzen Teams aus Ärzten, Pflegekräften, Physiotherapeuten, Psychologen, Sozialarbeitern, Seelsorgern und Ehrenamtlichen, die Raum schaffen für Zuwendung, Berührung und manchmal winzig kleine Dinge, die für einen kranken Menschen wichtig sind.
Wir werden im Leben auf alles vorbereitet, aber nicht auf das Sterben und den Tod. Für "Rituale", wie Zeit zum Abschied nehmen und Trauer, ist in unserer von Jugend und Leistungsorientiertheit geprägten Gesellschaft kein Platz. Nicht nur die Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz spricht darum vom Fehlen einer "Sterbekultur" in diesem Land. Auch hier will die Palliativmedizin ansetzen, in dem sie auch die Angehörigen aktiv einbindet und sie ebenso intensiv betreut.
Die palliativmedizinische Station der Lungenklinik Ballenstedt verfügt derzeit über drei Betten. Wenn der nächste Bauabschnitt abgeschlossen ist, wird sie auf acht Betten wachsen. Jörg-Friedemann Fischer hat aber noch weiterreichende Ziele, die er und sein Team verfolgen. Der Aufbau einer palliativmedizinischen ambulanten Versorgungsstruktur soll einmal erreicht werden, damit eine fachgerechte Nachversorgung der Patienten möglich wird. Erste Kontakte zu niedergelassenen Ärzten und regionalen Pflegediensten haben die Ballenstedter bereits geknüpft.
Palliativmedizin will den Tod weder beschleunigen noch ihn hinauszögern. Und eins ist dem Chefarzt besonders wichtig, angesichts unzähliger kontrovers geführter Diskussionen zum Thema der aktiven Sterbehilfe: "Wir bejahen das Leben, akzeptieren den Tod aber als zum Leben dazugehörend. Die Palliativmedizin ist eine vertrauenswürdige Alternative zur aktiven Sterbehilfe".