1898 Kleingartensparten in Aschersleben: Vogelgesang und Krähengeschrei bestehen seit 120 Jahren

Aschersleben - Die Kleingartenanlagen „Vogelgesang“ und „Krähengeschrei I“ waren die ersten, die vor exakt 120 Jahren in Aschersleben gegründet wurden. Gärten waren damals, aber auch später im I. und II. Weltkrieg und noch später in der DDR ein kostbares Gut, ja ein Privileg. In der Kaiserzeit halfen sie, aus der Enge schlechter Wohnungen zu fliehen, später linderten sie die Hungersnot, und zu DDR-Zeiten waren sie aus der sozialistischen Planwirtschaft gar nicht wegzudenken.
Regionalverband lud zu Festveranstaltung ein
An 120 Jahre Kleingartenwesen in Aschersleben und Umgebung erinnerte am Dienstag eine Festveranstaltung des Regionalverbandes, zu der Vertreter aus den verschiedenen Vereinen, Unterstützer und Vertreter aus der Politik eingeladen waren.
„Ohne Sie alle würden wir heute nicht hier stehen“, betonte die Regionalverbands-Chefin Edith Nowak, die besonders die Jahre nach der Wende als „aufregend und bewegend“, aber auch als nervenaufreibend bezeichnete.
Sie denkt dabei an Landeigentümer, „die uns das Leben schwer machten“, an die vielen Gartenfreunde, die ihre Parzellen verließen, weil sie anderswo Arbeit suchen mussten oder das Reisen in ferne Länder plötzlich wichtiger wurde. In manchen Vereinen konnte man gar nicht so schnell gucken, wie die Gärten sich leerten.
Ein Fünftel von 5.000 Hektar in Sachsen-Anhalt ist nicht belegt
Peter Riebeseel, Präsident des Landesverbandes der Gartenfreunde Sachsen-Anhalt, verdeutlicht das mit einer eindrucksvollen Zahl. Von 5.000 Hektar Gartenland im Land ist ein Fünftel nicht mehr belegt. Für die Vereine hat das gravierende Folgen, weil jeder Gartenfreund die Pacht dafür mit aufbringen muss.
Den Ascherslebener Verband bezeichnete er als einen der Vorreiter. „Hier wartet man nicht auf Signale von außen, hier wird man selbst aktiv“, sagt er und zeichnet wohl auch deshalb die Vorsitzende Edith Nowak auf Beschluss des Präsidiums mit dem silbernen Ehrenzeichen aus. Das ist die zweithöchste Auszeichnung, die der Landesverband zu vergeben hat.
Detlef Gürth erinnert an Widerstand gegen Spekulanten
Selbst aktiv geworden sind die Ascherslebener schon kurz nach der Wende. Landtagsabgeordneter Detlef Gürth (CDU), der für seine Partei auch im Ascherslebener Stadtrat sitzt, erinnert sich genau. „Die Kleingärtner haben darauf geachtet, dass für Bodenspekulanten kein Raum blieb“, sagte er in seinem Grußwort.
Deshalb war es wichtig, dass im Flächennutzungsplan Gartenland nach wie vor als Garten- und nicht als Bauland ausgewiesen wurde. Den Vorwurf von Edith Nowak, die Politik habe die Kleingärtner vergessen, wollte Gürth sanft entkräften mit der Bemerkung, dass es zum einen im Stadtrat stets Unterstützung gegeben habe und auch im Landtag eine aktuelle Debatte läuft.
Gürth verspricht, beim Thema Grünschnitt dranzubleiben
Auch am Thema Grünschnitt wolle man dran bleiben. „Es muss möglich sein, dass der Grünschnitt direkt bei den Gärtnern abgeholt werden kann“, sagte er. Dass die Herausforderungen landesweit besonders groß sind, zeige, dass es in Sachsen-Anhalt viermal mehr Kleingartenanlagen als in Baden-Württemberg gibt.
Manfred Schön, mit der Ökologischen Sanierungs- und Entwicklungsgesellschaft (Öseg) seit langem fester Partner der Kleingärtner, kann im Stillen ebenfalls ein kleines Jubiläum begehen. Vor zehn Jahren nämlich, 2008, sei das Tafelgärten-Projekt aus der Taufe gehoben worden.
Mit Hilfe von Ein-Euro-Kräften werden brachliegende Gärten bearbeitet, was hier geerntet wird, bekommt die Speisekammer. „Die Tafelgärten sind eine Erfolgsgeschichte“, so Schön und erklärt, dass zu Spitzenzeiten 100 Leute in 100 Gärten aktiv waren. Zurzeit sind es 58 in 58 Gärten.
Über der Festveranstaltung, für die die Kinder der Kita „Bummi“ einen erfrischenden Auftakt gestaltet hatten, stand eine Frage: Wird es auch in 120 Jahren noch Kleingärten geben? Riebeseel würde die Frage bejahen. Gärtnern bedeute ja nicht nur, „den grünen Daumen spielen zu lassen.“
Gärtnern bedeute auch, soziale Kontakte zu pflegen. „Die Tradition wird nicht verschwinden, sie wird aber kleiner werden“, denkt er. Auch für Edith Nowak gibt es durchaus ermutigende Zeichen: Es melden sich zunehmend jüngere Pächter, die einen Garten möchten. (mz)
