Kabarett Kabarett: Der Mann mit der Schiebermütze

Aschersleben/MZ - Die Bühne zeigt außer Blümchentapete und einem einzelnen Stuhl nichts, aber der Saal im Bestehornhaus ist voller Menschen und Erwartung. Die macht sich mit Jubel und Applaus Luft, als ein Mann mit Schiebermütze, kariertem Hemd und Hosenträgern die Szene betritt und etwas umständlich und breitbeinig auf dem Stuhl Platz nimmt.
So kennen und lieben die Fans ihn, Heinz Becker aus dem Saarland, der nicht viel, aber trotzdem alles besser weiß, der an allem etwas auszusetzen und selbst immer die einzig richtige Lösung parat hat und seine Meinung permanent und unverdrossen kundtut.
„Es is ja nich so, wie es sinn soll“, stellt er drum auch gleich zu Beginn fest und schwadroniert drauflos, dass einem angst und bange wird. Kein Thema ist vor ihm sicher. Er philosophiert über das Verhältnis von Mann und Frau, die Fernsehgebühren, den Syrienkrieg, die Frauenbewegung, künstliche Befruchtung, Homosexualität, den Weltuntergang, den Berliner Flughafen, die Verschwendung von Steuergeldern, die Bestechlichkeit, die Zeugen Jehovas, Organspenden, Todesstrafe, Pädophilie, erneuerbare Energie und Energiewende, und bei der Atommüll-Endlagersuche ist noch lange nicht Schluss.
Zu allem hat er seine ganz speziellen Ansichten, stets im Bewusstsein der eigenen Unfehlbarkeit vorgebracht, wobei Frau Hilde und Sohn Stefan genau wie Gartennachbarn und Kumpels vom Stammtisch sein Kosmos sind. „Es Wohnzimmer aabstauben, das is die eenzich richtige Frauenbewegung. Beim Stammtisch hamse gesaat, die reichen Russen ham de ganze italienische Mafia aufgekaaft, und die Proschtata geht bis zur Insolvenz.“ Und so weiter.
Heinz Becker ist ganz ohne Frage ein kleinkarierter, spießiger Schlaumeier, dem die Weisheiten seines Stammtischs heilig sind. Heinz Becker ist aber auch ein begnadeter Komiker und Kabarettist, der im richtigen Leben Gerd Dudenhöffer heißt und seit Jahrzehnten mit seiner Kunstfigur den Mann auf die Schippe nimmt, den es tausendfach gibt und den wir alle schon kennengelernt haben. Sei es der Nachbar, der heimlich die zu ihm rüberwachsenden Pflanzen vernichtet und dann scheinheilig fragt: „Sinn dei Brombeere kaputtgegange?“, oder der Heimwerker, der für die Baugenehmigung mit einer Flasche Cognac nachhilft. Heinz Becker findet das nicht schlimm, denn „mer hat mitnanner geschwätzt“. Nicht so wie heute, alles nur Mord und Totschlag, Politik, Finanzkrise, Tumulte, Krawalle und Unruhe. „Früher hat mer viel mehr sei Ruh’ gehatt, da war gar kei Zeit für Stress.“ Und deshalb stellt der Saarländer fest: „Die Welt rückt näher. Und das leet nich nur daran, dass de Grundstücke immer klenner un de Leut immer dicker werre.“
Gag folgt auf Gag. Zwei Stunden lang hängen die Zuhörer gebannt an den Lippen dieses prolligen Heinz Becker und unterbrechen nur durch Lachen und Applaus das endlose Selbstgespräch mit den bekannten Gesten, wie Fussel abzupfen, aufs Knie klopfen, angestrengt nach Worten ringen …
Verblüfft schaut man nach seinem Abgang auf den Mann, der ohne Schiebermütze auf die Bühne kommt und in makellosem Hochdeutsch sagt: „Meine Damen und Herren...“
Der Künstler Gerd Dudenhöffer, der die Verwandlung in den Kleingeist Heinz Becker seit 1982 immer weiter perfektioniert hat, liest zum Abschluss des Abends aus einem seiner Bücher zwei Gedichte, die sich zwar ganz anders anhören als Heinz Beckers Kleingartenphilosophie, sich aber nicht weniger witzig und pointiert mit den ewig aktuellen Themen um Männer und Frauen und den widrigen Kleinigkeiten des Alltags beschäftigen.