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Jubiläum Jubiläum: Ralf Springer weiß, was Frau(en) anzieht

Von marion pocklitz 04.11.2013, 18:32
Seit 30 Jahren gibt es das Geschäft von Ralf Springer in der Breiten Straße. Eigentlich wollte der Unternehmer Modezeichner werden.
Seit 30 Jahren gibt es das Geschäft von Ralf Springer in der Breiten Straße. Eigentlich wollte der Unternehmer Modezeichner werden. gehrmann Lizenz

aschersleben/MZ - Die silberne Zahl 30 auf dem Fotoalbum wirkt dezent und doch anziehend. Sie macht neugierig auf das, was im Album zu sehen ist. Schlägt der Betrachter es auf, so sind dort Urkunden, Amtsblätter, Zeitungsausschnitte und vor allem jede Menge Fotos zu finden. Darunter auch jene, die das erste Geschäft von Ralf Springer in der Breiten Straße zeigen. Dieses hat er genau vor 30 Jahren eröffnet. Längst gibt es das an dieser Stelle nicht mehr. Dafür aber am anderen Ende der Ascherslebener Einkaufsstraße. Und dorthin hat es wohl zum Firmenjubiläum am 1. November garantiert jede Menge Gratulanten wie Stammkunden, Freunde sowie Bekannte gezogen.

Der Personenkreis ist nicht klein, der Ralf Springer und sein Geschäft kennt. Seit Jahren schon finden dort Kunden immer etwas Passendes für ihren Kleiderschrank. Zu DDR-Zeiten standen die Menschen Schlange vor seiner Boutique. Auch wenn sich das geändert hat, den Schritt in die Selbstständigkeit hat Ralf Springer nie bereut. Obwohl auch harte Jahre hinter ihm liegen, die er sich hätte womöglich ersparen können, wenn er damals Banker in Aschersleben geblieben wäre. „Ich habe mich vom Praktikanten zum Abteilungsleiter der Bank hochgearbeitet.“

Insgesamt war er 24 Jahre in der Finanzbranche. „Aber ich bin nicht wirklich darin aufgegangen. Und dann habe ich mir mit 40 Jahren vorgestellt, dass noch weitere 25 Bürojahre vor mir liegen“, blickt er zurück. Die Zukunft hat er sich ganz anders ausgemalt: kreativer, selbstständig mit eigenem Geschäft. „Andere haben das auch geschafft.“ Aber zu DDR-Zeiten einen sicheren Job aufzugeben und in die Selbstständigkeit zu gehen, war ungewöhnlich und ein steiniger Weg.

Talent liegt in der Familie

Das Entwerfen von Mode dagegen sei ihm immer leichtgefallen und habe ihm Spaß gemacht. Vermutlich, weil er dieses Talent sozusagen in die Wiege gelegt bekommen hat. Denn der Urgroßvater war Herrenschneidermeister und sein Sohn hat eine Schneiderin geheiratet, die ihren Beruf in Wien von der Pike auf gelernt hatte. „Das war dann meine Oma. Ich habe sie oft als Kind begleitet, wenn sie nach dem Krieg auf Dörfer gefahren ist, um für die Bauern gegen Lebensmittel zu nähen“, erinnert er sich. Lange schmiedet er weiter seinen Plan, Modezeichner zu werden.

Ganz am Anfang malte er mit Vorliebe „Prinzessinnen mit tollen Kleidern“, gibt er schmunzelnd zu. Seine Zeichnungen hätten für ein Studium für die Kunsthochschule in Berlin auch gereicht, allerdings fehlte ihm das Schneiderhandwerk. So ging er folglich mit 17 Jahren auf Probe für sechs Wochen in die Notenbank und blieb 24 Jahre.

Nebenher allerdings schneiderte er Modelle für seine Frau Marlies. „Ich habe meine Frau eingekleidet. Es gab ja nichts, was wirklich gefiel“, zuckt er mit den Schultern. Später seien ihre Arbeitskollegen auf ihn zugekommen, die ebenfalls so schöne Stücke haben wollten. Auch das Modezeichnen betrieb er weiter. Mit Erfolg. Denn einige seiner Zeichnungen gewannen nicht nur Preise, sondern sie wurden auch noch von führenden Modeunternehmen geschneidert und auf Modenschauen präsentiert.

Für den Schritt in die Selbstständigkeit habe er viel Selbstbewusstsein aufbringen müssen. Denn schließlich wurden Männer, die für Frauen Kleidung herstellen wollten, oft belächelt. Darüber hat er sich hinweggesetzt. Über ein Jahr brauchte der damalige Rat des Kreises, um ihm endlich die Genehmigung für eine Modeboutique auszustellen. Diese hatte dann drei Nachmittage in der Woche geöffnet, an den anderen Tagen wurden die Modelle - man hatte sich neben Tagesmode auf Jugendweihemode und Hochzeitskleider spezialisiert - hergestellt. Drei Heimarbeiterinnen standen Ralf Springer zur Seite.

Im Geschäft selbst ist auch seine Frau tätig. Sie hat einen Teil der Büroarbeit und des Verkaufs übernommen, um so ihrem Mann für seine kreative Arbeit sowie für die Ausbildung zum Damenmaßschneider und der Absolvierung der Meisterschule den Rücken frei- zuhalten. „Allein hätte ich das nie geschafft. Sie hat ihren Beruf für mich aufgegeben.“

Doch seit der Wende schneidert er nicht mehr. „Die Marktbedingungen hatten sich über Nacht total verändert“, bedauert der Geschäftsmann. Trotzdem fülle ihn die Arbeit in seiner Modeboutique noch immer voll und ganz aus. Auch heute noch hüllt er Frau mit Leidenschaft in ganz besondere Stücke, die er nicht nur aus allen Teilen Deutschlands, sondern auch europaweit ordert.