Herzerwärmender «Schneefrühling»
Staßfurt/MZ. - Zwei Gitarren, zwei Stimmen - Thomas Rühmann und Martin Rühmann, aus dessen Feder das "Lied fürs All" auch stammt - mehr braucht es nicht, um das Publikum vom ersten Ton an in seinen Bann zu ziehen und es mit Texten von Erwin Strittmatter, Geschichten aus der eigenen Großfamilie, Liedern von Gerhard Gundermann oder Martin Rühmann nicht wieder loszulassen, bis mehr als zwei Stunden wie im Flug verrauscht sind.
"Schneefrühling" heißt das literarisch-musikalische Programm, das die Brüder am Freitagabend auf die Bühne des Salzlandtheaters Staßfurt zauberten. Und dieser "Schneefrühling" ist einfach herzerwärmend. So mit den Liedern, die Martin Rühmann geschrieben hat: Da beschrieb er die Sehnsucht nach dem vergangenen Sommer, verlangte in "Keine Haie" nach einem Tisch ganz nah am Kai und weckte im Lied vom Leuchtturmwärter den Wunsch nach Ferne, weit weg vom Alltag - ".. zerrissen grau die Wolken, so wie ich's gerade bin..."
Witzig, spritzig die Texte, mit denen Thomas Rühmann, mitunter auch im Dialog mit dem jüngeren Bruder, Einblick in beider Kindheit gab und Erinnerungen an das Leben in der Großfamilie mit sieben Kindern - "unser Vater war nicht Pfarrer, sondern Lehrer" - lebendig werden ließ. Lebendig wie die Geschichten von Erwin Strittmatter, bei denen Thomas Rühmann mit seiner Stimme förmlich Bilder zeichnete: etwa das der Großmutter - "der Vatermutter" - die sich stets weigerte zu singen, weil dann ein Unglück geschähe; oder das des Großvaters, der - nachdem er wegen Großmutters Eifersucht die Kürbisse nachts nicht mehr selbst bewachen konnte - "gestohlen bei Kulka" in deren Haut ritzte. Oder bei jener Geschichte von der Jungkuh, die im Winter zum Tränken ans Eisloch im Teich geführt wurde, sich auf das Eis hinauswagte, prompt einbrach, gerettet wurde und sich, fortan "Eiskuh" genannt, nie wieder an ein auch noch so kleines Gewässer wagte und so zu etwas Besonderem wurde. "Die Dummheit machte sie auserlesen." Strittmatter, so sagte Thomas Rühmann, sei an jenem Abend der "unsichtbare Dritte" im Bunde.
Vielleicht gab es noch einen Vierten: Gerhard Gundermann. Eindringlich, kraftvoll interpretierten die Rühmann-Brüder Titel des Liedermachers wie "Immer wieder wächst das Gras", das Kindheitserinnerungen beschwörende "Blau und Blau" oder "Alle oder keiner".
Das Publikum schmunzelte, lachte mal verhalten, mal herzhaft, war nachdenklich - und hielt nach manchem Titel scheinbar für Sekundenbruchteile den Atem an, ehe es applaudierte. Begeistert erbat es sich mit viel Beifall eine Zugabe der Künstler, die nach dem Konzert Autogrammwünsche erfüllten.
Seit gut vier Jahren sind sie mit ihrem Programm "Schneefrühling" gemeinsam auf Tour: Thomas Rühmann, Schauspieler, Akteur und Inhaber des "Theaters am Rand" in Zollbrücke im Oderbruch und als "Dr. Heilmann" aus der Fernsehserie "In aller Freundschaft" bekannt, und Martin Rühmann, der als Musikclown kranken Kindern Trost spendet und der mit der Martin Rühmann Band 2004 eine erste, sehr erfolgreiche CD "Keine Haie" auf den Markt gebracht hat. In der Kindheit oft gemeinsam musizierend, hatten die Brüder bei einem 50. Geburtstag einer der älteren Schwestern gemeinsam gesungen. "Und dabei haben wir gemerkt, dass wir ganz gut zusammenpassen", erzählte Thomas Rühmann. Für das nun gemeinsame Programm steuere Martin Rühmann seine Lieder bei und Thomas Rühmann "die, die ich mag". Die Familiengeschichten stammen aus den Erinnerungen beider. Und den Strittmatter, den hat Thomas Rühmann für dieses Programm "noch einmal richtig neu entdeckt".