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Forstwirtschaft Forstwirtschaft: Die Pferdeflüsterin

Von Hendrik Kranert 28.08.2003, 15:37

Warnstedt/MZ. - Edith war die Ruhe selbst. Dabei hatte Anke Siemandel erwartet, dass ihre 15 Jahre alte Dame "anfängt zu spinnen". Das Rheinisch-deutsche Kaltblut spielte mit - anders als der Magen der 35-jährigen Warnstedterin: "Mir war ganz übel." Dabei gab es dafür gar keinen Grund.

Denn Edith zog, schob und rückte die Konkurrenz in Flechtingen in Grund und Boden und machte ihre Besitzerin zur Landesmeisterin im Holzrücken - einer Männerdomäne. Der Verein für starke Pferde aus Lemgo hatte in der Altmark einen Wettbewerb für Kaltblüter mit internationaler Beteiligung organisiert und Anke Siemandel hatte sich relativ spontan entschlossen, teilzunehmen. "Dass es dann so gut klappt, damit hatte ich nicht gerechnet", erzählt sie.

Bereits nach der ersten Disziplin hatten zwei weitere Kolleginnen von Anke Siemandel die Zügel geworfen: Ein anspruchsvoller Parcours, eine Art "künstlicher Wald", musste mit einem Holzstamm ohne Kontakt umkurvt werden. Dabei musste der Stamm auch vor Hindernissen umgehängt werden - Pferd oben drüber, Baum drunter durch. Doch richtig hart wurde es in der zweiten Disziplin, die mit dem Titel "Kraft und Schnelligkeit" umschrieben wurde. Eine Tonne schwer war der Lastschlitten, den die kraftstrotzende Edith in Bestzeit über die 100-Meter-Distanz zog. Die übrige männliche Konkurrenz hatte da das sprichwörtliche Nachsehen.

Mit Holzrücken verdient normalerweise Anke Siemandels Mann seine Brötchen, die Landschaftspflegerin bildet die Kaltblutpferde in ihrer Freizeit für den harten Job im Wald aus. Und zwar seit zwölf Jahren. Da hatte sie das erste Mal Kontakt mit den gewaltigen Vierbeinern. Inzwischen stehen insgesamt zehn Pferde in Warnstedt im Stall, darunter auch Waldburgedward, ein Shire Horse. Die größte Pferderasse der Welt. Waldburgedward kann mit seiner Widerristhöhe von 1,87 Meter selbst Basketballspielern auf den Kopf spucken.

Seltene Pferderassen sind die Lieblinge von Anke Siemandel - der erste Nachwuchs von Percheron-Pferden tummelt sich eine Box weiter. Das Wort Fohlen bekommt bei Tieren, die so groß sind wie ausgewachsene Haflinger, schon einen anderen Beigeschmack. Kurioserweise sind gerade die Riesen unter den Pferden der Renner bei den Kleinen - wenn Anke Siemandel auf dem Hexentanzplatz zum Kinderreiten einlädt, "wollen alle nur auf die Großen". Die Zucht und den Verkauf will die 35-Jährige künftig noch intensivieren, nebenbei aber weiter Holzrücke-Pferde ausbilden. Rund ein Jahr dauert es, bis die Tiere alle Kommandos aus dem Effeff beherrschen, das Training ist nicht immer einfach: "Das ist wie bei den Menschen - es gibt Sturköppe und Fleißige." Edith beispielsweise ist eine ganz Fleißige. Acht Stunden pro Tag ist sie im Wald unterwegs, rückt dabei bis zu 200 Bäume. Und das trotz ihres für Pferde schon recht hohen Alters von 15 Jahren. "Fünf Jahre kann sie aber noch", sagt Anke Siemandel.

Das sei kein Problem, wenn man ein Kaltblut nicht schindet. Prügel sind Tabu - "das ist eine Partnerschaft zwischen Mensch und Tier, sonst funktioniert es nicht". Den Beweis dafür hat sie in Flechtingen angetreten.

Infos im Netz unter www.starke-pferde.de