Fachwerk in Aschersleben Fachwerk in Aschersleben : Paar renoviert Abriss-Haus

Aschersleben - „Das kann man doch nur noch wegreißen!“ Die Ascherslebener Adrian Einecke und Gesine Al Ghori haben diesen Satz sehr oft gehört. Auch die Behörden hatten das kleine Fachwerkhaus Über dem Wasser 14 schon aufgegeben, weil es einzustürzen drohte. Das Paar wollte es trotzdem kaufen und erhalten, was möglich ist. In letzter Minute sozusagen. „Ein paar Wochen später wäre es weg gewesen“, sagt Reinhard Fach vom städtischen Denkmalschutz. Die Abrissbagger standen sozusagen schon bereit.
Ein historisches Antlitz
Das ist jetzt fast zwei Jahre her. Inzwischen schmückt ein Richtkranz das Dach eines modernen Anbaus, das das historische Vorderhaus nach hinten ergänzt und die schon eingestürzten Gebäudeteile an der Hofseite ersetzt. Doch die Vorderansicht des Fachwerkhauses aus dem 17. Jahrhundert zeigt noch immer sein historisches Antlitz. Alles, was erhaltenswert war, wurde repariert und mit alten Materialien wie Altholz oder Backsteinen ergänzt. Die Wände wurden mit Lehm verputzt, zwei Fenster aus der Zeit um 1900 geborgen, restauriert und in zwei barocke Sandsteingewände im Erdgeschoss eingebaut.
Ein Zuhause mit Charakter
Beim Richtfest in der vergangenen Woche berichtete Adrian Einecke, wie das Abenteuer Hausbau für ihn und seine Lebensgefährtin begann. Wie schön es sich in einem alten Haus wohnen lässt, davon bekamen sie eine Ahnung bei einem Tag des offenen Denkmals. Auch davon, dass mit Hilfe von Fachleuten manches machbar ist. Und so gingen sie auf die Suche nach einem Zuhause mit Charakter. Ein Haus in der Innenstadt mit Garten sollte es sein.
Als das Fachwerkhäuschen in der Altstadt schließlich gefunden war, dauerte es noch lange, es vom in Berlin wohnenden Eigentümer zu erwerben. Kurz bevor die beiden Aschersleber aufgeben wollten, kam der Notarvertrag dann doch noch zustande.
Manch einer schlug die Hände über dem Kopf zusammen beim Anblick der eingestürzten Gebäude an der Hofseite. Das Haus zu betreten, war schon ein gewisses Risiko, bestätigt auch Jörg Schymura, der Chef der beauftragten Baufirma aus Quedlinburg. „Es war schon eine Herausforderung“, erinnert sich der Zimmerer an manches Problem während der Abriss- und Bauphase.
Tatsächlich hätte ihn mancher zu Beginn des Unternehmens als „mutig“ bezeichnet, erzählt Adrian Einecke. Damals habe er das in seiner Euphorie, endlich anfangen zu können, gar nicht so empfunden. Aber beim Anblick der alten Fotos, die vom verheerenden Zustand des Hauses zeugen, verstehe er inzwischen dieses Adjektiv und auch die Skepsis von Freunden und Angehörigen.
Bierflaschen statt Geldmünzen
Am Tag des Richtfests sind die Zweifel längst allgemeiner Bewunderung und Freude gewichen. Bei den Aufräumarbeiten - der Schutt lag stellenweise einen Meter hoch - „haben wir noch gedacht, vielleicht finden wir einen Schatz“, erzählt der Bauherr. Bis auf ein paar 80 Jahre alte Bierflaschen sei „der einzige Schatz, den wir gefunden haben, das Haus selbst.“
Architekt Rudolph Koehler vom Quedlinburger Büro qbatur weiß, dass die marode Bausubstanz auch einen Vorteil birgt: „Dafür hatten wir mehr Gestaltungsspielraum, der Zusammenklang von Alt und Neu macht hier den Reiz aus“, sagt er. Das Mehr an Licht und Luft, das Aufbrechen der kleinteiligen Raumstruktur mache modernes Wohnen in einem alten Haus erst attraktiv. Adrian Einecke und seine Gesine hoffen, das nächste Weihnachten im neuen Zuhause feiern zu können. Letzten Endes hätten die bürokratischen Hürden mehr Zeit gebraucht als das eigentliche Bauen. Und der milde Winter sei ihnen entgegen gekommen. Bei aller Anstrengung: „Es macht Spaß, einem alten Haus eine Seele zu geben“, sagt Gesine Al Ghori. (mz)

