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Ehrung für Tschernobyl-Aktivistin Ehrung für Tschernobyl-Aktivistin: Ihre Lebensmaxime: Einer trage des anderen Last

Von Stephan Neef 11.01.2002, 16:00

Thale/MZ. - Die Nachricht erreichte Liane Ebeling bereits vor vier Wochen. Doch es dauerte lange, bis "Freude aufkam" gestand die Thalenserin der MZ. Das hätte nicht nur am Alltagsstress gelegen, sondern auch an der bohrenden Frage, ob sie "so etwas verdient habe". Schließlich wollte sie immer nur bedürftigen Menschen helfen, "ohne an etwas anderes zu denken".

Es war Liane Ebeling gewesen, die vor zwölf Jahren den Grundstein für die regionale Tschernobyl-Opfer-Hilfe legte, Kontakte zu weißrussischen Stiftungen, Gemeinden und Ärzten herstellte und die überörtliche Initiativgruppe "Hilfe den Kindern von Tschernobyl" aufbaute.

Seitdem koordiniert und organisiert die engagierte Christin regelmäßige Hilfstransporte, Erholungsaufenthalte für strahlengeschädigte Kinder und - seit fünf Jahren - weihnachtliche Geschenksammlungen für das Minsker Waisenhaus Nummer 3. Hauptziel der Hilfsaktionen ist jedoch die belorussische Gemeinde Baktschi, 120 Kilometer vor den Toren der Hauptstadt Minsk. "In Baktschi war damals noch kein Hilfstransport gewesen und noch kein Kind hatte sich in Deutschland erholen können", erinnert sich Liane Ebeling. Inzwischen sind deutsche Ortsnamen wie Thale oder Gernrode im fernen Baktschi ein Begriff, fast 200 Kinder haben sich bereits an Bode oder Selke erholt. Und die Harzer Hilfskonvois werden bereits an der weißrussischen Grenze erwartet und mit partnerschaftlicher Hilfe durch die Zoll-Bürokratie "geschleust".

Emotionale Bindungen wuchsen, manche Freundschaft entstand. Auch das Deutschland-Bild alter Menschen haben die Ebeling-Helfer geprägt. Da war die gemeinschaftliche Andacht, die Liane Ebeling - völlig unvorbereitet - feierte, als das kleine Gotteshaus von den Harzern ein Holzkreuz erhielt. "Einer trage des anderen Last" sei das Motto ihrer Predigt gewesen, berichtet die Vorsitzende des St. Petri-Gemeindekirchenrates. Gemeinsam hätten alle das "Vater Unser" gebetet, die einen in russisch, die anderen in deutsch. "Ein bewegender Moment", erinnert sich Liane Ebeling.

Ein Gotteshaus, die Thalenser Petri-Kirche, war auch der Ort, an dem die Thalenser und ihre weißrussischen Freunde das zehnjährige Bestehen ihrer Partnerschaft feierten. Diesmal wurde es ein Fest-Gottesdienst, für den selbst Sachsen-Anhalts Sozialministerin Gerlinde Kuppe (SPD) eine Grußbotschaft schrieb.

Trotz familiärer Belastungen, gesundheitlicher Probleme (dreimal mussten sich schon weißrussische Notärzte um ihren Kreislauf kümmern) und abgelaufener ABM-Zeit denkt Liane Ebeling nicht ans Aufhören. In den Lagerräumen gebe es schon jetzt kaum noch Platz. Allein 1,3 Tonnen Baby-Nahrung, die ein namhafter Konzern spendierte, würden auf den Abtransport warten. Denn inzwischen versorge die Gruppe bereits den Nachwuchs jener Ferienkinder, die sich einst in der Harzregion erholten und nun schon selber Mütter und Väter geworden seien.