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Drastische Preissteigerung Drastische Preissteigerung: Arm im Altersheim

Von Marko Jeschor 22.01.2018, 10:25
Kathleen Döring kümmert sich in der Villa Richter um ältere Menschen. Der Job ist oft anstrengend.
Kathleen Döring kümmert sich in der Villa Richter um ältere Menschen. Der Job ist oft anstrengend. Frank Gehrmann

Aschersleben - Pflegebedürftige und deren Angehörige müssen sich auf teilweise drastisch steigende Preise einstellen.

Als erste Firmen in der Region haben die Richterpflege GmbH aus Giersleben sowie die Villa Richter GmbH Aschersleben öffentlich angekündigt, die Preise ab Februar für die Pflegegrade zwei bis fünf von derzeit rund 1.250 Euro auf 1.680 Euro monatlich zu erhöhen - sofern die Pflegekassen und Sozialhilfeträger der Forderung zustimmen.

Drastische Preissteigerung bei Pflegebedürftigen: Mitarbeiter sollen besser bezahlt werden

Mit der angekündigten Preiserhöhung will Geschäftsführer Stephan Richter seine Mitarbeiter besser bezahlen. „Wir wollen weiter in den Spiegel schauen können“, sagte er.

Bereits seit Anfang des Jahres erhalten die 90 Mitarbeiter mehr Lohn - ohne Gegenfinanzierung, wie Richter betont.

Zudem will er den Personalschlüssel beibehalten - trotz der mit den Änderungen von Pflegestufen zu Pflegegraden verbundenen Veränderungen.

Drastische Preissteigerung bei Pflegebedürftigen: Andere Betreiber werden nachziehen

Andere Betreiber im Bördekreis und auch in Magdeburg haben ihre Heimbewohner ebenfalls über die anstehenden Änderungen informiert.

Weitere werden nach Angaben des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste wahrscheinlich nachziehen.

„Es gibt nur diese eine Möglichkeit“, sagte Sabine Kösling vom Landesvorstand.

Noch bis März sollen die Verhandlungen zu den neuen Pflegesätzen zwischen den stationären Einrichtungen und den zuständigen Kassen laufen.

Dazu aufgerufen hat die Hälfte der landesweit 456 Einrichtungen. Das Sozialministerium geht allein aufgrund der Erhöhung des Mindestlohns in der Branche auf 10,05 Euro von Preissteigerungen aus.

Drastische Preissteigerung bei Pflegebedürftigen: Es ist schwer, geeignte Mitarbeiter zu finden

Derzeit liegt das Einstiegsgehalt eines Altenpflegers nach der dreijährigen Ausbildung bei nicht tarifgebundenen Unternehmen bei rund 1.900 Euro brutto.

Damit sei es bereits jetzt schwer, geeignete Mitarbeiter zu finden und auch langfristig zu binden, so Richter. Grund: In anderen Bundesländern werden Altenpfleger teilweise deutlich besser bezahlt als in Sachsen-Anhalt.

Drastische Preissteigerung bei Pflegebedürftigen: Ein riskanter Schritt

Richter bezeichnet die Entscheidung als den riskantesten Schritt in der immerhin über 20-jährigen Firmengeschichte.

Es habe zwar in der Vergangenheit immer wieder Erhöhungen gegeben, jedoch nie so deutliche. Er sagt: „Entweder gehen wir mit dem Schritt pleite oder wir bleiben bestehen.“

Hintergrund: Erst seit einigen Jahren müssen Pflegekassen Lohnerhöhungen bis zur Tarifhöhe als wirtschaftlich vertretbar akzeptieren.

Nach Angaben des Sozialministeriums sind rund 80 Prozent der Pflegekosten Personalkosten, die allerdings nur zum Teil und je nach Pflegegrad von den Pflegekassen erstattet werden.

Neben den Pflegekosten fallen für Heimbewohner auch noch Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionskosten an. Im Durchschnitt kostete ein Heimplatz in Sachsen-Anhalt vor drei Jahren laut rund 2.600 Euro.

Diese Summe war damals schon höher als das durchschnittliche Renteneinkommen von rund 944 Euro im Land.

Drastische Preissteigerung bei Pflegebedürftigen: Zahl der Sozialhilfe-Fälle wird steigen

Deshalb gehen der Bundesverband sowie Richter davon aus, dass die Zahl der Sozialhilfe-Fälle in Pflegeeinrichtungen mit der Erhöhung deutlich steigen wird.

„Das wird in Pflegeheimen zum Normalfall“, glaubt Richter. Schon jetzt sitzen Sozialhilfeträger bei den Verhandlungen zu den Pflegesätzen laut AOK fast überall mit am Tisch, weil die Mindestzahl der betroffenen Pflegeheim-Bewohner erreicht wird.

Nach Angaben der Kreisverwaltung erhalten 669 Menschen in Pflegeheimen derzeit Sozialhilfe. Betroffen vom Trend werden indes auch Angehörige wie Ehepartner oder Kinder sein, die zunächst herangezogen werden, bevor der Staat einspringt.

Sie müssen zumindest ihre Einkünfte offen legen.

Drastische Preissteigerung bei Pflegebedürftigen: Ziehen ander nach?

Ob tatsächlich weitere Pflegeheim-Betreiber in Aschersleben nachziehen, war zunächst schwer zu ermitteln.

Im Seniorenwohnpark Aschersleben, immerhin eine der größten Einrichtungen in der Region, wollte man sich auf MZ-Anfrage nicht äußern. Andere erklärten nur, es gebe Tendenzen zu weiteren Erhöhungen.

Das Seniorenheim „Am Concordia-See“ dagegen will das Prozedere nicht mehr mitmachen. Die Firma sattelte mittlerweile auf das betreute Wohnen um, wie Geschäftsführer Ralf Orlowski. „Damit wollen wir den ewigen Erhöhungen aus dem Weg gehen.“ (mz)