Archäologie Funde im Ascherslebener Stadtpark Doch wer war Auguste?
Ein Schriftzug auf dem Mauerwerk der Gruft im Stadtpark weist auf einen Bestattung im Jahr 1865 hin. Welche Fundstücke es gibt.

Aschersleben - Wie eine Kriminaltechnikerin im Tatort-Krimi hockt Claudia Schaller im weißen Einweg-Overall mit FFP-2-Maske in dem kleinen Raum, der sich vor ein paar Tagen unter einem Bagger im Ascherslebener Stadtpark aufgetan hat. Plastik-Tütchen liegen in einem Kunststoffeimer. Nur Latexhandschuhe trägt die vermeintliche Kriminalistin nicht. Claudia Schaller ist Archäologin des Landesamtes für Archäologie in Halle. Und heute untersucht sie ihre bislang größte Gruft.
Einen Tag hat die Archäologin Zeit, um die hier gefundenen drei Bestattungen, die zunächst auf die Zeit um 1850 datiert wurden, auf interessante Details zu untersuchen. „Nur repräsentative Stücke, die für die Nachwelt interessant sind“, nimmt sie mit. Die Gruft wird zudem in einer Zeichnung dokumentiert. Auf Fotos ist oft kaum etwas genau zu erkennen.
Dann steht sie beim MZ-Besuch auf und entdeckt plötzlich einen Schriftzug auf einem der Ziegelsteine der Außenmauer. Die Jahreszahl 1865 ist klar zu lesen, der Name in Sütterlin-Handschrift benötigt Hilfe. „Auguste“ könnte der Vorname einer hier bestatteten Frau sein. Vielleicht hilft das ja bei der Recherche zur Familiengruft im Stadtarchiv, die Aka-Chef Matthias Poeschel angekündigt hatte.
Claudia Schaller freut sich. Und sie hat bereits einiges Interessantes gefunden. Der mittlere der drei aufgefundenen Sargreste hat die interessantesten Fundstücke zu bieten, da er am weitesten von den äußeren Ziegelmauern entfernt stand. Dort wurde eine betagte Dame bestattet, berichtet sie. Claudia Schaller weist auf schwarze Spitze, die Reste des Totenkleides, hin. Dass sie sehr alt war, lässt sich am Kieferknochen nachweisen: Kein einziger Zahn findet sich und die Fehlstellen im Kiefer sind verwachsen.
Sogar organisches Material ist erhalten - Reste von Palmenblättern, die einst auf dem Sarg lagen. Dass der Sarg prächtig verziert war, ist erst auf den zweiten Blick im Staub zu erkennen. Die Archäologin weist auf dünne Metallblechverzierungen hin, die die Jahrzehnte in der Gruft überdauert haben. Es seien florale Motive – Blumen, erklärt sie. Aus Guss sind Sarggriffe, Engelsschmuck und die Füße des Sarges. Diese sind die größten Fundstücke. Es sind Puttenmotive darauf zu erkennen. Eiserne Nägel hat die Archäologin auch entdeckt, doch nicht geborgen.
Nicht alles kommt ans Tageslicht. Claudia Schaller wühlt nicht wahllos. „Wir sind ja keine Raubgräber, die in den Toten rumwühlen und das Wertvollste rausziehen“, weist sie auf einen pietätvollen Umgang hin. Schmuck, wie etwa einen Ring, hat sie noch nicht gefunden. Die Gruft ist drei Meter breit und 2,5 Meter lang. Die auf Eisenträgern eingepassten Sandsteinplatten liegen 2,7 Meter über dem Boden der Gruft. Claudia Schaller vermutet, dass aufgrund der nur dünnen Schotterbedeckung der Gruft die Sandsteinplatten einst ebenerdig lagen. So konnten sie leicht bei einer weiteren Bestattung herausgenommen werden.
„Es ist ein schöner und abwechslungsreicher Beruf“, sagt die junge Frau. Sie entdeckte einst über ein freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege im Harz den Beruf für sich und erlernte ihn in der Kreisarchäologie im Harz. Angst vor den Toten hat die junge Frau nicht. Und als Schutz vor Schimmelpilzen hat sie ja die Schutzmaske.
Die 32-jährige Archäologin ist fast jeden Tag landesweit unterwegs, um beispielsweise bei Grabungen für neue Wasserleitungen oder für Abwasserleitungen Funde zu dokumentieren. Ihr erster Einsatz sei ebenfalls an einer Gruft gewesen, erinnert sie sich: In der Quedlinburger Marktkirche war 2007 beim Einsacken des Bodens eine Gruft entdeckt worden. Auch in anderen Kirchen sei sie immer mal wieder in Einzelgrüften. Solch eine große Gruft wie in Aschersleben hatte Claudia Schaller noch nie. Doch sie weiß, dass begehbare Grüfte wie auf dem Quedlinburger Wipertifriedhof weit größer sind, da immer wieder Familienangehörige in diesen bestattet werden sollten.
Was mit den Gebeinen der Toten passiert, das muss die Aschersleber Kulturanstalt entscheiden. Nach dem Entdecken der Gruft wurde dazu geraten, diese in der Gruft zu belassen und die Gruft zu verfüllen. Der Baum, wegen dem der Bagger angerückt war, wurde inzwischen einige Meter weiter gepflanzt. (mz/dan)