Bahnstrecke von Frose nach Gernrode Bahnstrecke von Frose nach Gernrode: Weder Rad noch Dampfross

Seeland/MZ - Der Leser Hans-Helmut Jacobs verfügt über ein gutes Gedächtnis und schaut sich sehr aufmerksam in der Region um. „Wie ich seit einiger Zeit beobachtet habe, sind die Gleise der ehemaligen Bahnstrecke von Frose nach Gernrode abgebaut worden.“ Nun fragt er: „Wieweit ist der Bau eines geplanten Radweges auf dieser Strecke? Es würde mich freuen, Fortschritte in der Sache in der Presse zu lesen.“
Die MZ hat sich auf die Spur entlang der alten Trasse gemacht. Die frühere Bahnstrecke von Frose nach Gernrode verläuft auf einer Gesamtlänge von knapp 20 Kilometer durch das Gebiet der Städte Quedlinburg, Ballenstedt, Falkenstein/Harz und Seeland. Der Fachbereich Strategie und Steuerung der Harzer Kreisverwaltung erläutert auf MZ-Anfrage, dass die Stadt Ballenstedt die Idee verfolge, auf der früheren Bahntrasse einen durchgehenden Radweg zu entwickeln und hat hierzu bereits das Grundeigentum an der früheren Bahntrasse im eigenen Stadtgebiet erworben.
Vor vielen Jahren habe es Überlegungen gegeben, die Schmalspurbahn von Gernrode aus weiterzuführen, erzählte Ballenstedts Bürgermeister 2014 in einem MZ-Gespräch. „Das ist aus heutiger Sicht eine völlige Illusion. Um so wichtiger ist es für Ballenstedt, einen Fahrradanschluss bis nach Gernrode zur Harzer Schmalspurbahn zu haben.“
In Frose begann auf Wunsch der Anhalter Fürsten in Ballenstedt eine Strecke der Magdeburg-Halberstädter-Eisenbahn-Gesellschaft zur Station Ballenstedt-Schloss. Sie wurde am 7. Januar 1868 eröffnet. Die Kurorte Gernrode und Bad Suderode drängten nun auf eine Verlängerung der Bahnstrecke. Entgegen ursprünglicher Erwägungen, die Strecke in Neinstedt in die „Preußische Harzbahn“ einzufädeln, kam es jedoch zum Anschluss im Bahnhof Quedlinburg.
Am 1. Juli 1885 erfolgte die Einweihung der Verlängerung von Ballenstedt nach Quedlinburg mit Aufnahme des Güterverkehrs und am 1. Oktober 1885 für den Personenverkehr.
Diese Bahnstrecke, auch als Balkan bezeichnet, war die mit 1435 Millimeter Spurbreite älteste regelspurige Nebenbahn des Harzes. Zum 1. Januar 1998 erfolgte die Einstellung des Güterverkehrs zwischen Gernrode und Frose, zum 10. Juni 2001 zwischen Quedlinburg und Gernrode. Ende Januar 2004 fuhr der letzte offizielle Personenzug zwischen Frose und Gernrode.
Der Abschnitt nach Quedlinburg wurde 2006 auf Meterspur umgespurt.
Wie gut Radtouren in der Region angenommen werden, belegt nicht nur der R 1, an dem kürzlich der Wirtschaftsminister des Landes radelte. Unter dem Motto „Mit Rad und Bahn durchs Selketal“ folgen seit 2003 Hunderte Radler der Einladung zum Aktionstag im September. Dann starten auf die 32-Kilometer-Runde durch das Selketal und das Harzvorland Siebenjährige und Veteranen über 75 im Sattel.
In einem vom Landkreis Harz koordinierten Sondierungsgespräch Ende 2013 wurde die Position der anliegenden Städte zur Idee der Stadt Ballenstedt erfragt. Dabei wurde die Idee eines Bahntrassenradweges von der Stadt Seeland aus touristischen Gründen unterstützt. Die Stadt Quedlinburg hatte keine Einwände gegen diese Idee, der Anteil im Ortsteil Gernrode an der Gesamtstrecke ist jedoch sehr gering. Die Stadt Falkenstein/Harz lehnt die Idee ab, da einerseits der Bahnanschluss zwischen Reinstedt und der bestehenden Bahnverbindung bei Frose für die Entwicklung des Gewerbegebietes in Reinstedt benötigt und andererseits eine Konkurrenz zum bestehenden Europaradweg R1 befürchtet wird. Auch die Unterhaltung der Brückenbauwerke entlang der früheren Bahntrasse kann nach eigenen Aussagen durch die Stadt Falkenstein/Harz nicht geleistet werden.
Grundsätzlich möglich wäre der Ausbau der Bahntrasse als straßenbegleitender Radweg zur B 185 und L 242 in Kooperation der Gemeinden und der Landesstraßenbaubehörde Sachsen-Anhalt. „Voraussetzungen dafür wären insbesondere der Erwerb des Grundeigentums an der Trasse durch die Kommunen, die Bereitstellung finanzieller Mittel einschließlich kommunalem Eigenanteil“, erklärt die Kreisverwaltung mögliche Abläufe.
In den aktuell veröffentlichten Entwürfen der Bedarfspläne für straßenbegleitende Radwege an Bundes- und Landesstraßen in Sachsen-Anhalt, wurde ein straßenbegleitender Radweg an diesen Straßen als „weiterer Bedarf“ eingestuft. Der Bau eines Radweges in diesem Bereich gehört damit nach der gegenwärtigen Bedarfsplanung nicht zu den vorrangigen Projekten im Land Sachsen-Anhalt, so dass mit einer baldigen Umsetzung selbst in Teilabschnitten nicht zu rechnen ist.