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Aschersleber Traditionsgeschäfte Aschersleber Traditionsgeschäfte: Fleischers Glücksvieh

Von Marion Pocklitz 19.02.2016, 17:11
Birgit Hirsch ist Verkäuferin mit Leib und Seele. Das Geschäft, das sie inzwischen selbst führt, gibt es seit 1950.
Birgit Hirsch ist Verkäuferin mit Leib und Seele. Das Geschäft, das sie inzwischen selbst führt, gibt es seit 1950. Frank Gehrmann

Aschersleben - Dort räkelt sich eine Kuh, da hat ein Schwein ein Kleeblatt im Maul. Daneben liegt eine Sau auf dem Rücken und hat verträumte Augen. Die lustigen Figuren sind im ganzen Laden verteilt und verbreiten gute Laune. Und sie passen in das Traditionsgeschäft in der Breiten Straße. Denn in der Fleischerei Hirsch gibt es natürlich auch Fleisch von Rind und Schwein.

Das Geschäft gibt es schon seit 1950. „Es wurde von einer Familie Blöding eröffnet. Nach dem Tod des Fleischers hat das Geschäft Hildegard Winkel weiter betrieben, das später von Dieter Doliwa übernommen wurde“, erzählt Birgit Hirsch, die das Geschäft seit 1988 führt.

Geschäfte eröffnen, wechseln ihren Standort oder schließen für immer. Und doch gibt es sie noch - die Ascherslebener Traditionsgeschäfte. Die, in denen schon Generationen eingekauft haben und die schon immer dort zu finden waren, wo sie auch heute noch sind.  

Die MZ spürt diese Geschäfte auf, spricht mit den heutigen - und vielleicht auch früheren - Inhabern und stellt die Geschäfte den Lesern im Rahmen der Serie „Laden(be)hüter“ vor. Sollten Sie, liebe Leser, ein solches Geschäft kennen, sagen Sie es uns. Wir
sind unter der Telefonnummer 03473/799 0250 erreichbar. 

Traumberuf Fleischereifachverkäuferin

Sie hat 1969 ihren Traumberuf erlernt. „Drei Jahre hat die Ausbildung zur Fleischereifachverkäuferin gedauert. Mein Ausbilder war Dieter Doliwa, hier in der Breiten Straße“, verrät sie. Es ist eine schwierige Lehre, die ihr trotz alledem viel Spaß gemacht hat. „Lehrjahre sind keine Herrenjahre sagt man. Ich habe in dieser Zeit viel gelernt. Stand aber nur in dem Laden. Mit der Lehre ist meine Freizeit verloren gegangen“, blickt sie zurück. Denn wenn andere nach dem Unterricht in der Berufsschule freihatten, musste sie ins Geschäft. Aber so habe sie schon früh hinter der Theke stehen und verkaufen können. Das habe so richtig Spaß gemacht.

Der Laden gehörte zu DDR-Zeiten der Handelsorganisation (HO) an. Von dort kam dann auch der Vorschlag, dass sie das Geschäft übernehmen soll. Sie entschied sich zu diesem Schritt, obwohl dieses Handwerk damals kein leichtes war. Fleisch gab es nur in kleineren Mengen und Edelfleisch sogar nur, wenn man viel Bauchfleisch und Knochen dazu einkaufte. „Manchmal mussten wir fünf Kilogramm Rouladenfleisch aufteilen. Und vor dem Laden war immer eine Schlange“, erzählt sie.

Heute ist das ganz anders. Heute kann alles bestellt und besorgt werden, nur die Geldbörse des Kunden muss es hergeben.

Auch die Wende hat Birgit Hirsch als eine schwierige Zeit in Erinnerung. „Die Häuser in der Breiten Straße gehörten alle westdeutschen Eigentümern, die dann ihren Anspruch darauf erhoben. Die Treuhand leitete die Verkäufe“, sagt sie. Sie hat damals ein Kaufvorrecht bekommen, weil sie schon als Geschäftsführerin dort arbeitete und weil ihr Konzept überzeugt hat.

So hat Birgit Hirsch das komplette Haus gekauft. „Wir haben das Geschäft saniert und aufwendig umgebaut. Alles wurde moderner, schicker und praktischer.“ Fünf Angestellte hatte sie 1990, als sie den Laden wieder eröffnete.

Und lange Schlangen vor der Tür waren ebenfalls wieder da. „Die Leute waren auf alles Neue erpicht. Der Geschmack war zunächst zweitrangig. Was sich schnell wieder geändert hat“, sagt sie. Die Stammkunden wissen guten Geschmack wieder zu schätzen. Seit 1995 bietet sie auch einen Mittagsimbiss an. Der Bedarf war da und gerade die Schüler des Stephaneums schätzen diese Offerte. Auf die Idee sei übrigens ihre Tochter gekommen, die ebenfalls in der Breiten Straße hinter der Theke steht. Ein Renner ist seit Jahren der Grillstand vor der Tür. Her werden gebrutzelte Thüringer, Bouletten, Steaks oder Schaschlik angeboten. In der Mittagszeit reißt die Schlange hier nicht ab. Auch heute noch, nach 47 Jahren, macht Birgit Hirsch das Fleischereihandwerk Spaß. Auch wenn die kleinen Läden immer gegen die Discounter anzukämpfen haben. „Wenn jeder bei seinen Leisten bleiben würde, wäre es einfacher“, findet sie.

Ihre Leidenschaft für diesen Beruf zeigt sich natürlich auch in den 30 Maskottchen, die im Laden einen festen Platz erhalten haben. Das erste Glücksschwein hat sie von ihrem Mann geschenkt bekommen. Das war der Beginn der Sammelleidenschaft von lustigen Schweinen und Kühen, die den Laden bevölkern. (mz)

Laden(be)hüter: Fleischerei Hirsch.
Laden(be)hüter: Fleischerei Hirsch.
Frank Gehrmann