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Aschersleber Museum Aschersleber Museum: Vorm Holzwurm gerettet

Von Sofie Anton 05.07.2013, 16:43
Martin Just pflegt die Flötenuhr im Museum Aschersleben.
Martin Just pflegt die Flötenuhr im Museum Aschersleben. gehrmann Lizenz

Aschersleben/MZ - Eine nicht alltäglich zu hörende Melodie erklingt im Aschersleber Museum: „Gestern Abend war Vetter Michel da...“ Dass Martin Just heute nur einen Zugfaden betätigen muss, um der Flötenuhr die Musik zu entlocken, war in der Zeit, als das Spielwerk im Magazin des Museums lagerte, undenkbar. Doch seit über zehn Jahren funktioniert die Flötenuhr wieder. Den Bemühungen und dem Geschick von Restaurator Just sei Dank.

„Jede Flötenuhr ist ein Unikat“, erzählt Just. Der Mechanismus ist dem eines Orgelwerks ähnlich. Schwerkraft und Wind sorgen dafür, dass Stifte auf der Walze durch sogenannte Klavisette abgetastet werden und schließlich über 46 Pfeifen die Melodie erklingt. Das Museumsexponat wurde um 1830 im Schwarzwald vom Pionier der Flötenspieluhren, Benedikt Mukle, gebaut. Das Schild, so heißt das Ziffernblatt der Flötenuhr, zeigt deshalb auch kein Aschersleber Motiv. Wie genau die Uhr vom Schwarzwald nach Aschersleben und zu ihrem Schrank kam, ist nicht bekannt. Sie befand sich auf einem Dachboden und wurde noch zu DDR-Zeiten zusammen mit vier Walzen vom Museum angekauft. Dass die Uhr sich in einem Schrank befindet, ist unüblich, denn normalerweise hingen die Spielwerke frei an der Wand.

Ausbesserung und "Neuerfindung" nach eigener Nachforschung

„Es war die anspruchsvollste und interessanteste Herausforderung während meiner aktiven Dienstzeit im Museum als Restaurator in Vorbereitung der 1250-Jahr-Feier und der Umgestaltung des Biedermeierzimmers“, so Just. Zwei Jahre lang habe er sich mit viel Geduld und Ausdauer mit der Flötenuhr beschäftigt. Als die Flötenuhr ins Museum kam, war sie weit davon entfernt, funktionstüchtig zu sein. So manches Teil der Technik fehlte. Die Gewichte waren nur Bleiklötze, der Holzwurm hatte den Walzen stark zugesetzt, einige Stifte fehlten. Langwierig und kompliziert waren Ausbesserung und „Neuerfindung“ einiger Teile. Ohne Vorkenntnisse hat er sich der Aufgabe gestellt, Literatur gewälzt und sich andere Flötenuhren angesehen, unter anderem im Uhrenmuseum Bad Grund und Königslutter. Die Flötenuhr, die 2003 ihren Platz im Biedermeierzimmer des Museums fand, ist ein authentisches Beispiel der neuen, schlichten Eleganz der Inneneinrichtung der Biedermeierzeit. Der Begriff Biedermeier beschreibt vor allem den Lebensstil und die bürgerliche Kultur zwischen 1815 und 1848. Man zog sich nach dem politischen Aufruhr ins Private zurück. Die eigenen vier Wände, gesellige Treffen und Hausmusik wurden wichtig. In den bürgerlichen Häusern erklang die Melodie der Flötenuhr zu jeder Stunde. Wollte man eine andere hören, so musste man manuell zwischen den acht Ringen auf der Welle wechseln oder gleich die ganze Walze tauschen.

Die Biedermeierzeit begann für Aschersleben mit einer Phase des Umbruchs. Nach dem Ende der napoleonischen Zeit fiel die Stadt von der westfälischen Herrschaft 1813 wieder an Preußen. Wirtschaftlich gab es erst durch die beginnende Industrialisierung einen spürbaren Aufschwung. 1828 wurde das Braunkohlevorkommen entdeckt. Im gleichen Jahr bildete sich der Verschönerungsverein. Die erste Straßenbeleuchtung gab es 1842.

Zur Museumsnacht, die heute Abend stattfindet, wird die Flötenuhr wieder erklingen. Dann führt sie Martin Just erstmals ohne Schild vor, so dass alle Interessenten auch einen Blick auf das Innenleben und die Funktionsweise werfen können. Die Veranstaltung mit Livemusik und einem abwechslungsreichem Unterhaltungsprogramm beginnt um 19 Uhr. Der Eintrittspreis beträgt fünf Euro.