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Aschersleben Aschersleben: Kneipe zum Restaurant gemacht

Von harald vopel 16.03.2012, 17:55

aschersleben/MZ. - Wenn Wolfgang Tesch spricht, dann verrät sein Dialekt noch heute, dass er aus Berlin stammt. Dabei ist es inzwischen 25 Jahre her, dass er von der Spree an die Eine umgezogen ist. "Ich wollte mich seinerzeit selbstständig machen und bin auf der Suche nach einem geeigneten Objekt auf eine Zeitungsanzeige gestoßen, in der das Lindeneck in Aschersleben angeboten wurde", erklärt Tesch, der in Berlin zuletzt als Küchenmeister im Zentrum-Warenhaus am Ostbahnhof gearbeitet hatte. Übrigens hat es damals zwei Jahre gedauert, ehe Wolfgang Tesch den Zuschlag für das Haus in der Magdeburger Straße bekam.

Dann haben er und seine damalige Frau aber die Gelegenheit beim Schopf gepackt, das Haus erworben und sich in das Abenteuer in Aschersleben gestürzt. Das Lindeneck, welches seinerzeit eher der Rubrik "Bierkneipe" zugeordnet werden durfte, wurde umgebaut, renoviert und neu eingerichtet. Dann kam irgendwann der Tag der Neueröffnung. Es war der 20. März 1987. Und der wird zum 25-jährigen Jubiläum im Lindeneck am kommenden Dienstag gefeiert.

Für Wolfgang Tesch ist es gleichzeitig eine Gelegenheit, in Erinnerungen zu schwelgen. Gut im Gedächtnis sind ihm noch die ersten Wochen. "Da waren die Stammgäste und wir zunächst auf keinen Fall ein Herz und eine Seele. Wir mussten uns wohl erst aneinander gewöhnen. Da landete am Stammtisch schon mal die Zigarettenasche nicht ganz unabsichtlich neben dem Aschenbecher. Aber nach vielleicht vier Wochen waren die anfänglichen kleinen Reibereien vergessen", schmunzelt der Lindeneck-Wirt und kann die anfänglichen Vorbehalte sogar verstehen. Schließlich hatte sich einiges geändert. Vor allem war aus der Kneipe eine richtige Speisegaststätte geworden. Zwar war das Angebot - verglichen mit heute - nicht ganz so üppig, für damalige Verhältnisse aber auf hohem Niveau. Die Gäste mussten sich nicht zuletzt auch daran gewöhnen, dass die Preisstufe nicht mehr die Eins, sondern plötzlich die Drei war. Da kostete die ukrainische Soljanka nicht mehr nur 80 Pfennig, sondern 1,30 Mark, das Bauernfrühstück 3,30 Mark und das Rumpsteak mit Kräuterbutter, Zuckererbsen, Bauernkartoffeln und Garnitur 6,15 Mark.

Alles in allem legte Wolfgang Tesch im Jahr 1987 einen Blitzstart hin. Und der ist nachweisbar. Die örtliche Presse hatte in diesem Jahr nämlich einen Gaststättenwettbewerb ausgeschrieben. Das neue Lindeneck landete dabei auf Anhieb auf dem dritten Platz, hinter dem Hedersleber Hof sowie dem Ascherslebener Ratskeller und der Tierparkgaststätte, die beide gemeinsam Platz zwei belegten. Bei der Preisübergabe wurde Tesch zugeflüstert, dass die Juroren eigentlich damit gerechnet hätten, dass es die neuen Betreiber des Lindenecks keine vier Wochen in Aschersleben aushalten würden. Das war eine deftige Fehleinschätzung.

So etwas wie ein zweiter Neuanfang kam dann mit der Wende in den Jahren 1989 und 1990. Schnell wurde aus der Speisegaststätte ein Disco-Tempel, der die Besucher tatsächlich in Scharen anzog. Der ausgebaute Keller bot dafür beste Voraussetzungen. Es gab Tage, an denen der Streifenwagen der Polizei - meist wegen ruhestörenden Lärms oder einer Schlägerei - fast regelmäßig vor der Tür stand. "Ich glaube, die konnten zum nächsten Einsatz meist gleich von hier starten", grient Wolfgang Tesch. Mit zunehmender Konkurrenz wurde es aber allmählich auch wieder etwas stiller rund um das Lindeneck. Und seit sechs Jahren ist es wieder eine Speisegaststätte, in der aber auch Familien-, Firmen- oder sonstige Feiern gefeiert werden. Auf der Speisekarte stehen inzwischen fast 100 Gerichte, wobei der Wirt erklärt, dass diese Zahl auch zahlreichen Variationen geschuldet sei.

In den vergangenen 25 Jahren hat sich auch der Personalbestand im Lindeneck verändert. Waren die Teschs anfangs mit einer Abwaschhilfe allein, beschäftigt der Wirt heute vier fest angestellte Mitarbeiter und zwei Auszubildende. Er bilde seit inzwischen zwölf Jahren aus und würde zurzeit gern einen Koch als Azubi einstellen, sagt der Wirt. Der Lehrling müsste sich dann allerdings ständig vom Chef auf die Finger sehen lassen, denn Wolfgang Teschs Lieblingsort ist die Küche - nach dem Motto "hier kocht der Chef noch selbst". Und das zu 90 Prozent mit taufrischen Zutaten.

Das Engagement beschränkt sich inzwischen nicht nur auf die eigentlichen Gasträume. Von Anfang an betrieb Tesch auch den benachbarten Kiosk. Und seit einigen Jahren gibt es auch den Party-Treff in der Lübenstraße. Dort können beispielsweise im Sommer, wenn die Terrasse genutzt werden kann, bis zu 100 Gäste feiern. In der nicht ganz so warmen Jahreszeit stehen dort 60 Plätze zur Verfügung. Angeschlossen sind sogar drei gut ausgestattete Pensionszimmer, in denen Gäste übernachten können.

Wenn am kommenden Dienstag Lindeneck-Geburtstag gefeiert wird, dann sind neben Freunden, Bekannten und Geschäftspartnern natürlich auch alle anderen Gäste willkommen, sagt Wolfgang Tesch und räumt denen in der nächsten Woche einen Rabat von 25 Prozent als kleines Dankeschön ein.