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Arbeitskreis jüdische Geschichte  Arbeitskreis jüdische Geschichte : Stolpersteine für Familie Hirschfeld

Von Kerstin Beier 28.09.2018, 11:56
Yoram Yori Hirschfeld (re.) war zum ersten Mal in Aschersleben und bezeichnete die Ehrung seiner Familie mit der Verlegung der Stolpersteine vor dem Haus in der Leopoldstraße als einen „sehr aufregenden Moment“.
Yoram Yori Hirschfeld (re.) war zum ersten Mal in Aschersleben und bezeichnete die Ehrung seiner Familie mit der Verlegung der Stolpersteine vor dem Haus in der Leopoldstraße als einen „sehr aufregenden Moment“. DEtlef Anders

Aschersleben - Aschersleben erinnert mit vier neuen Stolpersteinen an das Schicksal jüdischer Einwohner. Verlegt wurden die Messingplatten vom Arbeitskreis Jüdische Geschichte vor dem Haus Leopoldstraße 1.

Das prächtige Gebäude gehörte einst Dr. Erich Hirschfeld und seiner Frau Else. Zwei weitere Platten erinnern an deren Kinder Judith und Hans-Gideon.

Die Familie floh vor dem Naziterror 1937 nach Palästina und folgte damit Hans-Gideon, der die Stadt bereits 1935 verlassen hatte.

David Löblich vom Arbeitskreis machte die zahlreichen Zeugen der Stolperstein-Verlegung mit der Biografie des erfolgreichen Rechtsanwaltes vertraut, der 1890 in Berlin geboren wurde und mit 20 Jahren in seiner Heimatstadt ein Jura-Studium begann.

Zum Militärdienst im Ersten Weltkrieg

Er wollte Richter werden, doch mit Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 meldete er sich freiwillig zum Militärdienst. Seine Brüder Siegfried und Arthur ließen dort ihr Leben, Erich überstand den Krieg und setzte nach Kriegsende seine Studien fort.

Er promovierte in Rostock und heiratete im Dezember 1919 seine Frau Else Neumann. Das Paar lebte zunächst in Berlin, wo 1921 Sohn Hans-Gideon geboren wurde.

Zu der Zeit war aber bereits entschieden, dass sich Dr. Hirschfeld in Aschersleben eine Karriere als Rechtsanwalt aufbauen wollte.

Schnell entwickelte sich die Sozietät zur größten Anwaltskanzlei in der Stadt. Zu seinen Klienten gehörten bedeutende Firmen wie Thieme (heute das Gebäude des Bauwirtschaftshofes) und die Ascherslebener Bank. Hirschfelds erwarben die Leopoldstraße 1 als privates Wohnhaus und 1925 wurde Tochter Judith geboren.

Familienglück andete 1933

Das Glück der Familie endete jäh, als die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernahmen. Dem Familienvater wurde zunächst die Zulassung entzogen, wenig später die Promotion aberkannt.

Hirschfelds mussten ihr Haus verkaufen und auch als Notar durfte Erich Hirschfeld nicht mehr arbeiten. Hans-Gideon wanderte 1935 nach Palästina aus, zwei Jahre später folgte die Familie.

Erich arbeitete zunächst als Landwirt und war später bis zu seiner Pensionierung 1955 Postmeister. Sowohl er als auch seine Frau Else und Sohn Hans-Gideon starben in den 1980er Jahren. Judith kehrte nach Deutschland zurück und lebte in Stuttgart. Sie starb 2013.

Arbeitskreis jüdische Geschichte: Zum ersten Mal in Aschersleben

Mit Angehörigen der Familien Hirschfeld und von Bodelschwingh waren Mitglieder der Enkelgeneration aus Israel und Niedersachsen gekommen, um bei der Stolpersteinverlegung dabei zu sein.

Yoram Yori Hirschfeld, der im Haus seiner Großeltern in Israel lebt, war zum ersten Mal in Aschersleben und bezeichnete die Ehrung seiner Familie als einen „sehr aufregenden Moment“.

In sauberem Deutsch sprach er humorvoll und unterhaltsam über den schweren Beginn seiner Großeltern in der Wahlheimat. „Sie und andere Flüchtlinge wollten Landwirtschaft betreiben, aber die meisten wussten nichts davon“, berichtete er.

Seit 2007 werden in Aschersleben Stolpersteine verlegt - 64 erinnern inzwischen an das Schicksal jüdischer Mitbürger. (mz)