Altenpflegerin aus Aschersleben Altenpflegerin aus Aschersleben: Arbeit mit Freude und Frust

Aschersleben - Sechs Uhr. Dienstbeginn. Etwa 22 Patienten betreut Altenpflegerin Nicole Kubal vom „Mobilen Pflegedienst Stemmler“ in ihrer siebenstündigen Schicht. Die Tour führt die stellvertretende Pflegedienstleiterin quer durch Aschersleben - vom Kosmonautenviertel bis zur Burg und zurück.
Bei den meisten Patienten stehen dabei Kurzbesuche an: Die 42-Jährige befüllt Medikamentenboxen, kontrolliert die Pilleneinnahme oder wechselt Verbände. „Unsere Touren sind genau getaktet, oft bleiben uns nur wenige Minuten pro Patient und kaum Zeit, um mal einen Schwatz zu halten - obwohl das manchmal wichtiger wäre als alles andere“, sagt Nicole Kubal.
Die Ascherslebenerin steigt in ihren mintgrünen VW Polo, startet den Motor und fährt los. Ein paar Mal rechts, dann links und sie steht vor einem Wohnblock, in dem auch Frau Briest (Namen von der Redaktion geändert) lebt. Eilig packt die Altenpflegerin ein paar blaue Überschuhe in ihren Kittel, bevor sie die Treppen zur ersten Etage hinaufsteigt. „Manchmal brauchen wir die Überzieher, um unsere Schuhe zu schützen, manchmal um die Wohnung der Patienten sauber zu halten.“
Frau Briest erwartet die quirlige Pflegerin bereits in der geöffneten Wohnungstür. Eine kurze Begrüßung und sie beginnt mit ihrer Arbeit. Die Patientin leidet an Durchblutungsstörungen, hat Wasseransammlungen in den Beinen. Aus diesem Grund sind diese anfällig für offene Wunden. Vor einem halben Jahr ist sie dann bei einem Friedhofbesuch über einen Grabstein gestürzt und hat sich am Unterschenkel verletzt. Die Wunde heilt schlecht, weshalb das Bein regelmäßig gereinigt, eingecremt und neu verbunden werden muss. „Sieht doch schon viel besser aus. Langsam wird es, Frau Briest“, sagt die 42-Jährige und lächelt ihrer Patientin zu.
Kaum fünf Minuten dauert das Wechseln der Verbände, dann muss sie bereits weiter zum nächsten Patienten. Ob sie ihr noch schnell die Zeitung aus dem Briefkasten holen könne, fragt Frau Briest, als Nicole Kubal aus der Wohnung tritt. „Aber natürlich“, entgegnet sie und flitzt noch einmal ins Untergeschoss. Die Zeit sei zwar immer knapp, aber kleine Gefälligkeiten könne und wolle sie ihren Patienten nicht abschlagen. „Ich hab auch schon Glühbirnen gewechselt, weil wir plötzlich im Dunkeln standen“, sagt sie und lacht, „Zeitdruck hin oder her, wir sind da, um zu helfen.“
„Guten Morgen, Frau Sokol, ich bringe Ihr Frühstück!“
Acht Fachkräfte und drei Pflegehelfer sind beim Ascherslebener Pflegedienst für insgesamt 100 bis 110 Patienten zuständig, erklärt Daniela Stemmler (37). Ihre Berufe unterscheiden sich nicht nur in der Länge der Ausbildung, die bei Pflegehelfern auf zwei anstatt drei Jahre verkürzt ist, sondern anschließend auch in ihren täglichen Aufgaben. Während Pflegehelfer vor allem dafür zuständig sind, Patienten zu waschen und hauswirtschaftliche Hilfen zu übernehmen, wechseln Fachkräfte Verbände, setzen Medikamente und wenn nötig auch Spritzen.
Es ist 6.35 Uhr. Nicole Kubal klingelt mittlerweile an der Haustür ihrer sechsten Patientin, in einem grauen Wohnblock in der Aschersleber Innenstadt. „Guten Morgen, Frau Sokol, ich bringe Ihr Frühstück!“ Brötchen hat die Altenpflegerin zwar nicht dabei, aber Medikamente. Weil Frau Sokol an Demenz erkrankt ist, vergisst sie häufig, ihre Tabletten einzunehmen.
Sie wohnt allein. Niemand kann sie daran erinnern. Deshalb kommt Nicole Kubal oder einer ihrer Kollegen jeden Tag vorbei und überwacht die Medikamenteneinnahme. „Denken Sie bitte auch daran, viel zu trinken - zwei Liter mindestens, gern auch mehr“, sagt sie zu Frau Sokol und zeigt auf die Wasserkanne in ihrer Küche. „Natürlich, sonst vergesse ich ja noch mehr“, antwortet die Patientin und tätschelt die Schulter der 42-Jährigen.
Seit 2005 arbeitet die Ascherslebenerin für den privaten Pflegedienst, die meisten ihrer Patienten kennt sie schon „seit einer halben Ewigkeit“. Probleme gebe es nur selten, die wenigsten seien unhöflich oder schwierig. Manche seien höchsten ein wenig eigen - nichts, womit die Pflegerin nicht umgehen könnte. Im Alter sei es für viele schwer, den körperlichen oder auch geistigen Verfall zu akzeptieren. Manche Patienten würden deshalb wütend werden, andere traurig. Mitgefühl sei das Stichwort. „Viele von uns werden einmal in die gleiche Position geraten“, sagt Nicole Kubal.
Einen anderen Job könne sie sich nicht mehr vorstellen. Nur wenn es um die Zuordnung der Pflegestufen für ihre Patienten geht, wirkt die Altenpflegerin niedergeschlagen und frustriert. „Manchmal denke ich, die Leute müssen ihren Kopf erst unter dem Arm tragen, bevor sie eine Pflegestufe bekommen.“
Einige ihrer Patienten hätten es im Alltag schwer, Probleme bei der Hygiene oder dabei, alltägliche Erledigungen wie ihre Einkäufe zu tätigen. Und trotzdem würden die zuständigen Gutachter ihre Hilfsbedürftigkeit unterschätzen und ihnen Pflegestufen versagen, die sie Nicole Kubals Ansicht nach dringend nötig hätten. Denn umso höher die Pflegestufe eines Patienten ist, umso mehr Hilfe bekommt dieser durch Pflegekräfte.
Um die Pflegebedürftigkeit eines Patienten einschätzen zu können, stattet ihm der Gutachter einen Besuch ab und verschafft sich vor Ort einen Eindruck. „Wie die Entscheidung ausfällt, hängt oft von der Stimmung des Gutachters ab. Am Ende sind sie oft nur wenige Minuten da und treffen nichtsdestotrotz eine langfristige Entscheidung“, sagt Nicole Kubal und schüttelt den Kopf. (mz)
