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Wohnen Wohnen: Wenn die Wände singen

Von Tobias Wiethoff 12.08.2004, 09:21
Klangkörper ist hinter der Tapete. (Foto: dpa)
Klangkörper ist hinter der Tapete. (Foto: dpa) gms

Überlingen/Melle/dpa. - Technik ist Männer-, InneneinrichtungFrauensache. Beim Thema Surround-Sound prallen beide Kompetenzenaufeinander. Schon der Wunsch nach mächtigen Lautsprechern für dieStereoanlage soll zu Beziehungskrisen in deutschen Heimen geführthaben. Doch für die Rundum-Beschallung benötigt man fünf Boxen undeinen zusätzlichen Subwoofer - Blickfänge der unharmonischen Art.

Zwar geben sich die Hersteller Mühe, den häuslichen Frieden mitimmer kleineren Lautsprechern zu wahren. Manche Modelle wählen denumgekehrten Weg, indem sie sich selbst zum Einrichtungsgegenstanderklären. Doch wer hartnäckigen Widerstand brechen will, muss einenSchritt weiter gehen und die Boxen optisch zum Verschwinden bringen.Einige Hersteller halten auch solche radikaleren Lösungen bereit.

Die günstigste Möglichkeit des Versteckspiels bieten Einbauboxen,wie sie etwa die Firma Canton aus Weilrod (Hessen) im Programm führt.Die Modelle InCeiling und InWall, rund oder eckig erhältlich, sindmit einer Einbautiefe zwischen sieben und elf Zentimetern so flach,dass sie in Wand oder Decke versenkt werden können. An die üblicheUmgebungsfarbe passt sie ihr weißes Frontgitter an. Den Besitzernbleibt aber nicht erspart, ein Loch in die Wand zu hauen.

Ohne solche Eingriffe kommen die Bildlautsprecher von Elac aus,von der Kabelzuführung einmal abgesehen. Die Imago-Serie löst dasUnterbringungsproblem auf buchstäblich kunstvolle Weise: Von Technikist nichts zu sehen - der Lautsprecher wird zum klingendenWandschmuck, zum «singenden Bild», wie es bei Elac in Kiel heißt. ImGegensatz zu herkömmlichen Boxen werden bei Bildlautsprechern ganzeFlächen als Membran genutzt - die Tiefe beträgt nur 6,5 Zentimeter.

Für die Oberflächengestaltung besteht die Wahl unter zahlreichenKunstdrucken. «Kunden können uns aber auch eigene Motive als Dateischicken», sagt Elac-Geschäftsführerin Dorothee Thomanek. Erhältlichist die Imago-Serie in zwei Größen: 40 mal 50 Zentimeter für 750 Euround 50 mal 80 Zentimeter für 880 Euro. Üblicherweise werden dieBildlautsprecher vor allem für die rückwärtigen Soundeffekte genutzt.«Aber man kann sich auch fünf davon hinhängen. Das funktioniertwunderbar», so Thomanek.

Erste Versuche mit Flächenlautsprechern gehen schon auf diezwanziger Jahre zurück. Damals entwickelte Siemens den so genanntenBlatthaller - freilich mit wenig wohlklingendem Ergebnis. Inzwischenhat sich das Unternehmen seiner Idee erinnert und das System Siesonicauf den Markt gebracht. Dabei handelt es sich einen Prozessor, der esermöglicht, Flächenlautsprecher sogar hinter Wandtapeten, Fliesenoder Möbelfurnieren zu verstecken. Eine ausgeklügelte Elektronik solldie dabei entstehenden Klangeinbußen nahezu vollständig ausgleichen.

Schrankwände mit dieser Technik werden vom MöbelherstellerBrinkmann aus Melle (Niedersachsen) vertrieben. Die innere Füllungder nur gut zwei Zentimeter dicken Türen wird dabei als Klangflächegenutzt. Von außen unterscheidet sich das Möbelstück in nichts vonseinen unmusikalischen Brüdern - man sieht furniertes oder lackiertesHolz. «Der Klangfeldprozessor wird von uns individuell programmiert,so dass der Klang immer der gleiche ist - egal, ob Buche, Kirscheoder Eiche», sagt Geschäftsführer Frank Goerlich. Der Raum hinter denTüren lässt sich normal nutzen. «Da klirrt nichts», so Goerlich.

Die Brinkmann-Möbel haben ihren Preis. Für zwei Lautsprecher samtProzessor sind rund 2900 Euro einzukalkulieren, für eine ganzeSchrankwand mindestens 8000 Euro. Dafür verspricht der Herstellereine Klangqualität, die sich im Gegensatz zur Technik nicht zuverstecken braucht. «Wir erfüllen gehobene Ansprüche», so Goerlich.«Flächenlautsprecher haben sogar akustische Vorteile, weil sie weiterabstrahlen und damit eine freie Positionswahl ermöglichen.»

Auf die Spitze wird die Camouflage vom Unternehmen Puren ausÜberlingen (Baden-Württemberg) getrieben, ursprünglich spezialisiertauf die Herstellung von Dämmstoffen. Das Raumklangsystem purSonicbietet dem Auge keinen Halt mehr: kein Lochgitter, kein Bilderrahmen,keine Schranktür - die Wände klingen scheinbar von selbst.

Herzstück ist ein sieben Millimeter dünnes Soundboard, das Purenzusammen mit Bayer entwickelt hat. Es wird an Stelle der üblichenGipskartonplatten in die Wand eingelassen und nachher tapeziert odermit Fliesen beklebt. Die Siemens-Elektronik sorgt dafür, dass derFrequenzverlauf von Höhen, Mitten und Bässen an das jeweiligeOberflächenmaterial angepasst wird. Auch hier soll die Klangqualitätan Boxen der gehobenen Mittelklasse heranreichen. «Selbst audiophileHörer sind verblüfft», sagt Vertriebsleiter Wolfgang Schlott.

Da die Wände für die Installation offen liegen müssen, ist dasSystem vor allem bei Neubauten oder ohnehin geplanten Sanierungeninteressant. Eine komplettes Raumklang-Ensemble kostet rund 8000 Euro- ohne Einbau. Den übernehmen kooperierende Fachbetriebe.

Seit dem Marktstart im vergangenen Jahr wurden rund 30 Anlageninstalliert. Wenn es nicht noch mehr sind, so hängt dies auch damitzusammen, dass purSonic nicht über den HiFi-Fachhandel bezogen werdenkann - genausowenig wie die klingenden Möbel von Brinkmann. So dürfteder häusliche Geschlechterkampf schon aus Informationsmangel vorerstweitergehen.