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«Willst du Stress?!» «Willst du Stress?!»: Die Gewalt unter Mädchen nimmt zu

Von Nina Apin 10.05.2006, 09:04

Essen/dpa. - Schlägerinnen haben das Bild vom «braven Mädchen»verändert. Ein Fünftel der Jugendgewalt geht Untersuchungen zufolgemittlerweile von Mädchen aus.

«Körperliche Übergriffe durch Mädchen werden häufiger», bestätigtCordula Schare, Sozialpädagogin in einem Kinder- und Jugendtreff inEssen. An den Straßenbahnhaltestellen rund um die Einrichtung zettelnMädchen oft Schlägereien an - meist kloppen sich verfeindete Cliquen.

Fast immer sind die Opfer von Mädchengewalt andere Mädchen. DieRandale ist für die Täterinnen ein Ventil, um ihren Alltagsfrustloszuwerden. Der Anlass spielt meist keine Rolle. «Es geht nicht umRache für irgendwelche Beleidigungen, sondern um Anerkennung in derGruppe», sagt Cordula Schare.

Um möglichst «hart» zu wirken, geben sich 14 bis 19 Jahre alteMädchen gern wie Machos, beobachtet die Sozialpädagogin. «Diebegrüßen sich mit Handschlag, spucken auf den Boden und benutzen soeine derbe Sprache, dass man meinen könnte, da stehen ein paarKerle.» Worte wie «Missgeburt» gehören zum normalen Umgangston.

Wer als Mädchen von Gleichaltrigen provoziert wird, sollte lautSchare versuchen, sich nicht darauf einzulassen, rasch abzuhauen unddirekt Hilfe bei einem Lehrer oder Polizeibeamten zu suchen. «Diemeisten Gewaltopfer scheuen diesen Schritt, weil sie Angst haben,danach noch größeren Ärger zu riskieren.»

Reine Mädchengangs sind nach Worten der Soziologin Kirsten Bruhnsvom Deutschen Jugendinstitut in München allerdings eher selten. Meistträten gewaltbereite Mädchen in gemischten Gruppen auf. Doch auchdort habe sich ihre Rolle verändert: «Früher kamen Mädchen oft durchihre Freunde in die Gruppe und hatten dort nichts zu sagen.» Heutetreten sie öfter als Mitgründerinnen in Erscheinung, bilden weiblicheUntergruppen und sind von Anfang an gewaltbereit.

«Der Höhepunkt der Mädchenkriminalität liegt zwischen 14 und 15Jahren», sagt Christian Pfeiffer vom KriminologischenForschungsinstitut Niedersachsen in Hannover. Von einer Verrohungjunger Mädchen könne aber nicht die Rede sein. Der scheinbardramatische Anstieg von Mädchengewalt in den Polizeistatistikenbedeute nur, dass von Mädchen begangene Delikte häufiger angezeigtwerden.

Für Hilfe sorgen Mädchen wie Zeda Bas. Die 16-jährige Schülerinbesucht die Werner-Stephan-Oberschule in Berlin-Tempelhof und hatsich dort zur Streitschlichterin ausbilden lassen. Als eine von 70Friedensstifterinnen geht sie dazwischen, wenn unter den etwa 300Schülern ein Streit auszubrechen droht.

«Unter Mädchen fängt Stress mit Lästereien, Missverständnissen undKleinigkeiten an», beobachtet Zeda. Dann wird zurückgelästert, an denHaaren gezogen und geschubst - bis eine der Streitschlichterinneneingreift. «Ich breche erst einmal den Tunnel, diesen intensivenBlickkontakt, der die Streitparteien verbindet», sagt die Schülerin.«Dann fasse ich eins der Mädchen an den Schultern, drücke sie auf dieKnie und sage: Sieh mich an!» - bisher habe das immer geklappt.