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Wie werde ich...? Hörgeräteakustiker

Von Katlen Trautmann 23.02.2009, 09:04

Lübeck/Dresden/dpa. - Etwa 15 Millionen Bundesbürger hören schwer. Ein Hörgerät kann sie sogar Brahms-Werke oder Vogelzwitschern erleben lassen. Hörgeräteakustiker bauen und pflegen solche Hilfen.

Dafür müssen sie gleichzeitig Menschenkenner und Techniker sein. Von einem «hochinteressanten Beruf mit breitem Berufsfeld» spricht Ludwig Conrad von der Akademie für Hörgeräte-Akustik in Lübeck (AHA). Die AHA ist die zentrale Berufsschule der Branche.

«Es ist bewegend, wenn man ein taub geborenes Baby auf seinem Weg beobachten kann, den es dank eines Hörgerätes findet», schwärmt die Meisterin Gundi Fritsche vom Dresdner Hörgerätezentrum. Die gelernte Audiologie-Assistentin und Absolventin der Lübecker Schule kam bei der Arbeit in einer Uniklinik auf den Geschmack.

Vom Baby bis zum Greis zählt jede Altersgruppe zu den Kunden der Branche. «Hörschäden werden heutzutage immer genauer und früher diagnostiziert», sagt Gundi Fritsche. Hörgeräteakustiker sehen ihre Klienten im Schnitt einmal pro Vierteljahr - und das manchmal jahrzehntelang. «Das macht eine sehr persönliche Betreuung möglich», erklärt die Meisterin. Das Messen der Hörminderung und das Bauen, Justieren und Reparieren von Hörhilfen gehören zu den vornehmsten Aufgaben eines Hörgeräteakustikers. Bei der Wahl der Farbe des Gerätes ist sein Geschmack gefragt.

Das Einhalten hygienischer Standards ist Berufspflicht. Hörgeräteakustiker kommen Menschen nahe wie Ärzte oder Pflegende. «Sie haben im Idealfall Umgangsformen wie ein Juwelier», sagt Günter Steinmeier, der Vorsitzende des Unternehmerverbandes der Branche. Fingerspitzengefühl ist in dem technischen Beruf ein Muss. «Kunden tragen sich bis zu zwei Jahre mit dem Gedanken an eine Hörhilfe. Der Schritt über unsere Schwelle fällt vielen sehr schwer», sagt Gundi Fritsche. Ältere wollen gern plaudern. «Erstgespräche von anderthalb Stunden sind normal.» Fachvorträge sind aber tabu.

Die dreijährige duale Ausbildung gliedert sich in den Schulteil in Lübeck und die Praxis im Betrieb. «Wir haben viele hörgeschädigte Lehrlinge», erzählt Ludwig Conrad von der AHA. Die Ausstattung der Schule mit 35 Messkabinen ist nach Einschätzung des Dozenten weltweit einmalig. Auch Meisterlehrgänge finden hier statt. Real- oder Mittelschüler sind bei Günter Steinmeier willkommen: Er stellt jedes Jahr sechs bis acht Lehrlinge ein und schätzt berufspraktische Vorbildung besonders. Auch Physik sollte kein Buch mit sieben Siegeln sein.

Azubis lernen das Gießen von Ohrmuschel-Modellen ebenso wie Gerätebau und -anpassung. Während der Lehre muss auch mal die Lärmbelastung eines Rasenmähers berechnet oder ein Hörgerät durch Feinlöten unter dem Mikroskop instand gesetzt werden. Grundlagen der Medizin des Hörens, der Akustik und der Elektrotechnik runden die Ausbildung ab.

«Es gibt so gut wie keine arbeitslosen Hörgeräteakustiker», beschreibt Ludwig Conrad die Berufschancen. Er nennt die Profession eine Art «Helferberuf». Sorgen bereitet der Branche allerdings die wachsende Konkurrenz durch HNO-Ärzte, die Hörgeräte in den Praxen ausgeben. Gundi Fritsche schätzt die stabilen Beziehungen zu ihren Kunden: «Hörgeräteakustiker ist ein wundervoller Beruf für alle, die gern mit Menschen umgehen», sagt sie.

Fachverband Deutscher Hörgeräteakustiker: www.fdh-ev.de

Akademie für Hörgeräte-Akustik: www.aha-luebeck.de

Bundesinnung der Hörgeräteakustiker: www.biha.de

Rund 700 Lehrlinge verlassen jährlich die Akademie für Hörakustik in Lübeck. Mädchen sind leicht in der Überzahl. Azubis bekommen zwischen 355 und 585 Euro monatlich. Die Bundesagentur für Arbeit beziffert das Monatseinkommen angestellter Hörgeräteakustiker auf bis zu 2100 Euro. Rund 3800 Unternehmen gibt nach Branchenschätzungen bundesweit. Die Bundesinnung der Hörgeräteakustiker in Mainz zählt nach eigenen Angaben 1500 Mitgliedsunternehmen. Der Unternehmerverband Fachverband Deutscher Hörgeräteakustiker in Braunschweig führt 150 Mitgliedsunternehmen.