Wenn aus guten Freunden Paare werden
Hannover/Berlin/dpa. - Es könnte so einfach sein: Zwei Leute lernen sich kennen, mögen sich und verbringen jede freie Minute miteinander. Er hört sich ihre Probleme an, sie muntert ihn auf, wenn er Liebeskummer hat - so, wie es gute Freunde eben füreinander tun.
Doch mit der Harmonie kann es schnell vorbei sein, wenn einer von beiden plötzlich mehr als nur Freundschaft für den Anderen empfindet. «Wer sich in den besten Freund oder die beste Freundin verknallt, ist oft erstmal in einer Zwickmühle», sagt Wolfgang Bergmann, Psychologe aus Hannover. «Denn eines ist klar: Steht man zu seinen Gefühlen, wird sich einiges ändern - allerdings nicht unbedingt zum Positiven.» Jungs und Mädchen, die in dieser Situation sind, denken deshalb am besten zunächst alleine über ihre Gefühle nach, ehe sie dem anderen reinen Wein einschenken, rät Bergmann. Ist es wirklich Liebe, oder steckt vielleicht etwas anderes dahinter?
«Viele machen in solchen Situationen gerade eine schwere Zeit durch - haben Stress zu Hause, in der Schule oder im Job. Sie sind frustriert, weil irgendetwas nicht so läuft», sagt Bergmann. Deshalb fühlen sie sich in Gegenwart des besten Kumpels ganz besonders wohl. Er oder sie strahlt Ruhe aus, man fühlt sich bei ihm geborgen. «Und diese Empfindungen werden gern mit Liebe verwechselt.»
Laut Manuel Tusch haben plötzlich auftretende Gefühle für den besten Freund oft mit einer Umbruchphase zu tun, in der einer von beiden gerade steckt: «Der gute Kumpel hat vielleicht gerade seinen ersten Job angetreten und wirkt dadurch auf einmal viel reifer und verantwortungsbewusster», sagt der Paartherapeut aus Köln. «Darum sieht ihn seine beste Freundin mit ganz anderen Augen. Daraus können sich auf jeden Fall Gefühle entwickeln.»
Ob diese Gefühle mit Liebe zu tun haben, zeige die Leidenschaft, mit der man sich zum anderen hingezogen fühlt. «Wenn ich bereit bin, bestimmte Verhaltensweisen an ihm zu tolerieren und sogar Dinge plötzlich klasse finde, die er mag, dann geht das schon in die richtige Richtung», ist sich Tusch sicher.
Trotzdem sind die Grenzen oft fließend und für die vermeintlich Verliebten kaum zu erkennen. Natürlich könne es sein, dass man sich wie aus heiterem Himmel in den besten Freund verliebt, sagt Bergmann. «Ich kann Leuten allerdings nicht unbedingt dazu raten, dem anderen einfach alles zu gestehen. Denn fühlt der nicht so, wird die Freundschaft wahrscheinlich einen Knacks bekommen.»
Karsten Noack, Kommunikationstrainer aus Berlin, warnt ebenfalls davor, mit der Tür ins Haus zu fallen. «Viel besser ist es, durch einen Trick herauszufinden, wie das Objekt der Begierde zu dem Thema steht.» Eine Möglichkeit sei, über andere Paare reden, die vorher befreundet waren. «An der Reaktion des Freundes lässt sich meistens schon ablesen, wie er darüber denkt: Lehnt er so etwas ab, sagt das eigentlich alles.»
Steht er der Sache offen gegenüber, lohnt es sich, konkreter zu werden: «Man kann dann ja einfach mal die Frage stellen: Könntest du dir das bei uns auch vorstellen? Das klingt unverfänglich und gefährdet nicht gleich die Freundschaft», glaubt Noack.
Die Umschwärmten haben es ebenfalls häufig nicht leicht: «Gesteht mir meine beste Freundin ihre Liebe, ist die Situation auch für mich verzwickt», sagt Karsten Noack. «Für den Fall, dass ich nicht so fühle, ist meine Reaktion sehr wichtig. Ich muss ihr versichern, wie wichtig die Freundschaft für mich ist und klar machen, dass eine Partnerschaft nicht automatisch besser sein muss.» Es bringe nichts, Dinge aufzuzählen, die gegen eine Partnerschaft sprechen. Viel mehr müssen die positiven Seiten der Freundschaft betont werden. Und auf keinen Fall dürfen dem anderen falsche Hoffnungen gemacht werden.
Stellt sich dagegen tatsächlich heraus, dass beide die gleichen Gefühle füreinander haben, steht einer Partnerschaft nichts im Weg. Manuel Tusch sieht in Beziehungen, die aus engen Freundschaften heraus entstanden sind, sogar Vorteile: «Beide haben von Anfang an viel Vertrauen zueinander und konnten sich schon im Alltag erleben. Sie wissen also, worauf sie sich einlassen.» Oft haben die beiden auch schon gemeinsam Krisen überwunden - und sind daran gewachsen.